Theologe: Kirche verschleppt Entschädigung Missbrauchsopfer

Ein Spiel auf Zeit?

Der katholische Theologe Norbert Lüdecke wirft den katholischen Bischöfen mit Blick auf die Zahlung von Entschädigungen für Missbrauchsopfer "Verschleppung" vor. 

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock ( shutterstock )

Statt zügig zu zahlen, hätten sie "eine Kirchensteuerdiskussion losgetreten". Der Kirchenrechtler schreibt in einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau", die Kirche spiele auf Zeit. Im September hatten die Bischöfe mögliche Varianten zur Entschädigung von Missbrauchsopfern vorgestellt, die eine Arbeitsgruppe mit Betroffenen, Juristen und anderen Wissenschaftlern erstellt hatte.

Für die Höhe der Zahlungen waren damals zwei Modelle vorgeschlagen worden: eine Pauschale von rund 300.000 Euro pro Opfer oder ein abgestuftes Verfahren, bei dem je nach Schwere des Falls zwischen 40.000 und 400.000 Euro gezahlt werden.

Verschieben "auf den Sankt-Nimmerleins-Tag"

In den folgenden Wochen entbrannte eine Diskussion darüber, aus welchen Mitteln künftige Entschädigungen zu zahlen seien und ob Kirchensteuermittel dafür verwendet werden können. Unter anderem hieß es, dass dadurch das gesamte Kirchenvolk in Mithaftung genommen werde für das Leitungsversagen weniger. Ebenfalls kritisiert wurde, dass auch die Opfer dann mit bezahlen müssten - sofern sie der Kirche angehören.

Lüdecke schreibt, statt "mit gutem Beispiel voranzugehen", wollten die Bischöfe abwarten, wie sich etwa Sportverbände, die evangelische Kirche und "andere Täterorganisationen" verhalten, "wohl wissend, dass damit eine Entschädigung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist".

Zudem könne es damit passieren, dass "die Kirche Bedürftigen nicht mehr zukommen lasse als den kleinsten Nenner, auf den man sich gesamtgesellschaftlich einigen kann".

Opfer dritter Klasse?

In diesem Zusammenhang kritisiert der Theologe auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das unter anderem vor einer Verwendung von Kirchensteuermitteln zur Zahlung von Entschädigung gewarnt hatte.

Lüdecke kommentiert auch den Hinweis aus dem ZdK, ein kirchlicher Alleingang drohe Opfer erster und zweiter Klasse zu schaffen: "Soll das heißen: Da schaffen wir doch lieber alle gemeinsam nur Opfer dritter Klasse?"

Zahlreiche Bistümer haben inzwischen erklärt, sie wollten keine Kirchensteuermittel für die Zahlung von Entschädigungen verwenden. Die Bischöfe haben sich bisher nicht auf Entschädigungssummen oder auf ein neues Verfahren für Zahlungen verständigt. Eine Entscheidung wird frühestens Ende Januar 2020 erwartet.

 

Theologe Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz (KNA)
Theologe Norbert Lüdecke / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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