KNA: Frau Paganini, Sie haben in der Bibel Dinos entdeckt, dabei gab es das Wort Saurier vor 2.000 Jahren noch gar nicht. Wie haben Sie das geschafft?
Claudia Paganini (Theologin und Autorin): Wir sind wie Bibelwissenschaftler vorgegangen. Die Texte entstammen einer ganz anderen Zeit und einem anderen Kulturraum. Man muss den Kontext bestimmter Wörter und Bezeichnungen untersuchen, um herauszufinden, was sie meinen. Dabei ist natürlich auch eine gewisse Vorsicht geboten.
KNA: Über andere Tiere, die zu biblischen Zeiten zum Alltag gehörten, schweigt sich die Heilige Schrift dagegen aus, etwa über Katzen - warum das denn?
Paganini: Das ist in der Tat erstaunlich. Denken Sie nur an die Exodus-Erzählung, die über weite Passagen in Ägypten spielt. Ägypten hatte große Kornkammern, viele Mäuse und ebenso auch viele Katzen, das ist aus ägyptischen Quellen bekannt und irgendwie auch selbstverständlich. Sogar im ägyptischen Götterkult spielten sie eine Rolle. Möglicherweise wollten sich die biblischen Autoren von dieser Kultur bewusst abheben. Darüber kann man im Rückblick nur mutmaßen. In unserem Buch bieten wir für solche Befunde verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an.
KNA: Adam und Eva lebten noch ganz vegan - Jesus nicht. Was ist da in der Heilsgeschichte passiert?
Paganini: Na ja, einiges: Der Brudermord von Kain an Abel, die Vertreibung aus dem Paradies, der Turmbau zu Babel, die Sintflut. Alle diese Geschichten erzählen davon, wie Menschen schuldig werden. Und parallel dazu kommt die nicht-vegetarische Ernährung auf. Mit dem paradiesischen Urzustand ist tatsächlich eine vegane Ernährungsweise verbunden. Man sollte aber heute die Bibel nicht so lesen, als böte sie konkrete Vorschriften etwa dazu, was wir essen sollen. Wir müssen uns immer fragen, was die aus alten Zeiten überlieferten Gebote für uns heute bedeuten können.
KNA: Ihre Lieblings-Tiergeschichte im Buch der Bücher?
Paganini: Im Buch Numeri, der vierten Schrift des Alten Testaments, begegnen wir Bileams Eselin. Das Tier erkennt den Engel Gottes, sein Besitzer ist dazu nicht fähig. Das Schöne an der Geschichte: Im Christentum sehen wir traditionell im Menschen den bevorzugten Ansprechpartner Gottes. Es gibt aber sehr wohl biblische Texte, in denen das auch für nichtmenschliche Geschöpfe gilt. Bei Jesaja klatschen Bäume in die Hände!
KNA: Heute diskutieren nicht nur Bio-Aktivisten, sondern auch Ethiker und Juristen ernsthaft über Tierrechte - kommt Ihnen das bekannt vor?
Paganini: Ich bin ja selber Ethikerin, aber unser Buch ist kein ausgesprochen tierethisches Werk. Was wir zeigen wollten: Das Nachdenken über die Beziehung von Tier und Mensch ist etwas sehr Altes, wozu sich schon in der Bibel sehr viele Anregungen finden. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir unseren Umgang mit Tieren dringend verändern sollten, weil wir uns bisher sehr rücksichtslos über den Anspruch zumindest höher entwickelter Tiere hinwegsetzen, nicht zu leiden und nicht getötet zu werden.
KNA: Welche Rechte haben Tiere in der Bibel?
Paganini: Das dürfte vielen nicht geläufig sein. Rinder werden als Rechtssubjekte behandelt. Wenn sie einen Menschen töten, wird ihnen der Prozess gemacht. Am Sabbat, dem wöchentlichen Ruhe- und Festtag, müssen sie aber auch nicht arbeiten und dürfen sich ausruhen. Und beim Dreschen des Getreides darf ihnen nicht das Maul verbunden werden. Das heißt, der Ochse, der arbeitet, soll vom Ertrag auch seinen eigenen Bedarf stillen können. Das ist schon etwas anderes, als wenn Tiere nach dem Gesetz als Sachen gelten. Zugespitzt formuliert: Zu biblischen Zeiten waren wir schon mal weiter.
KNA: Bei Ihrer Safari haben Sie im Alten Testament einen sprechenden Blutegel zutage gefördert. Was hat dieser Parasit dort zu suchen?
Paganini: Die Autoren der biblischen Texte haben viele Dinge nicht explizit geschrieben, sondern zwischen den Zeilen mit Hilfe von Bildern ausgedrückt. Dazu haben sie häufig auf Tiere Bezug genommen, die die Menschen aus ihrem Alltag kannten. Bei der betreffenden Stelle geht es um die Unterwelt. Also werden sie wohl die Blutegel eingesetzt haben, weil diese - auch wenn das unverdient sein mag - ein negatives Image hatten und mit Krankheit und Elend in Verbindung gebracht wurden. Im Buch der Sprüche kommt gleich eine ganze Familie von Blutegeln vor, die sprechen können. Damit sind sie die einzigen sprechenden Wirbellosen der antiken Weltliteratur. Echte Konkurrenz sollten sie erst später durch die Biene Maja und ihre Freunde bekommen.
Das Interview führte Christoph Renzikowski.