Wie viele gute Geschichten, beginnt auch diese mit einem Trinkspruch. Auf die Freiheit sollen sich zwei Studenten in einem Kaffee in Lissabon im Winter 1960 zugeprostet haben. Dafür wurden sie verhaftet, denn das damals in Portugal herrschende Regime von Diktator Antonio Salazar (1889-1970) duldete die öffentliche Erwähnung des Begriffs "Freiheit" nicht.
Eine kurze Meldung über den kuriosen Fall soll kurz darauf der englische Anwalt Peter Benenson (1921-2005) in der Zeitung gelesen haben. Obwohl er selbst schrieb, dass solcher Art Nachrichten eigentlich täglich zu lesen seien, beschäftigte ihn doch gerade die Geschichte aus Portugal besonders; so sehr, dass er sich entschloss, selbst zur Feder zu greifen. Am 28. Mai 1961 erschien sein Artikel über "Die vergessenen Gefangenen", der den viel beachteten Appell für Amnestie enthält.
Der Startschuss für Amnesty International
Rund 30 große Zeitungen aus aller Welt druckten den Beitrag ab, oft auch in die jeweilige Landessprache übersetzt. Rückgreifend auf Benensons Appell entstand daraus die globale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), der englische Jurist wurde ihr erster Generalsekretär.
Schon im Sommer 1961 entstand der erste AI-Ableger in Deutschland, als gleichzeitig zweiter Landesverband überhaupt. In Österreich und der Schweiz erfolgten die Gründungen 1970.
Wohl einflussreichste nicht-staatliche Menschenrechtsorganisation
Heute gilt Amnesty International als die wohl einflussreichste nicht-staatliche Menschenrechtsorganisation der Welt. Eigenen Angaben zufolge engagieren sich weltweit über 10 Millionen Menschen in rund 70 Ländern für das Netzwerk. Jährlich bringt die Organisation umfassende Berichte heraus, zu Themen wie Todesstrafe, Folter und zur allgemeinen Lage der Menschenrechte weltweit.
Daneben spielte auch schon seit Beginn die Betreuung von Einzelfällen eine große Rolle, also Menschen, die auf Grund ihrer politischen Überzeugung gefangen gehalten und von Amnesty-Gruppen quasi "adoptiert" und öffentlich gemacht werden. Schon 1977 erhielt die Organisation für ihr Engagement den Friedensnobelpreis.
Die Amnesty-Agenda
Seit dem Beginn der 2000er Jahre stehen auch wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte auf der Amnesty-Agenda. Doch kritisieren Stimmen inner- wie auch außerhalb der Organisation diese Ausweitung teilweise und fürchten, dass dadurch Amnestys Menschenrechtsbegriff ausgehöhlt wird.
Verhältnis zwischen Amnesty und der katholischen Kirche
Nicht immer konfliktfrei ist daneben auch das Verhältnis zwischen Amnesty und der katholischen Kirche. Zwar haben beide Institutionen bei vielen Themen, wie Friedenspolitik oder Ablehnung der Todesstrafe, nahezu deckungsgleiche Positionen. Daneben gibt es jedoch klare Differenzen, etwa bei Fragen der Gleichberechtigung und -behandlung von Frauen und Homosexuellen.
Ein besonderer Zankapfel zwischen Amnesty und der Kirche ist jedoch der Lebensschutz. Schon 2007 setzten sich die Menschenrechtler gegen eine Kriminalisierung von Abtreibungen ein. Daraufhin forderte der damalige vatikanische Sozialminister Kardinal Renato Raffaele Martino alle Katholiken auf, ihre finanzielle Unterstützung für die Organisation einzustellen.
Auch bei den in diesem und vergangenem Jahr stattgefundenen Protesten gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen zeigte sich dieser Konflikt. Amnesty stellte sich öffentlich hinter die liberalen Demonstranten, während die Mehrzahl der polnischen Bischöfe den Vorstoß der konservativen Regierungspartei unterstützte.
Amnesty warnt vor einer weltweiten Menschenrechtskrise
Statt einer Jubiläumsfeier, warnt Amnesty nun in der Pandemie vor einer weltweiten Menschenrechtskrise. Der Jahresbericht zeichnet ein düsteres Bild, gerade was die Rechte von Frauen angeht, die am stärksten unter der Krise zu leiden hätten. Daneben werde auch die Pressefreiheit unter dem Deckmantel von Corona-Schutzmaßnahmen teilweise massiv eingeschränkt.
Doch gebe es neben allen Problemen der Krise zum Jubiläum auch positive Entwicklungen zu verzeichnen. So hatten mehrere afrikanische Staaten eine Initiative gestartet, die Straflosigkeit für Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt juristisch bekämpfen soll. Ebenso gingen - paradoxerweise in manchen Fällen auch gerade wegen Corona - die Zahl der Hinrichtungen im vergangenen Jahr deutlich zurück und sanken damit das dritte Jahr in Folge.