Wie eine Hochwasser-Betroffene das Geschehene verarbeitet

Ein Wechsel von Hoch und Tief

Drei Wochen ist es her, dass das Hochwasser in der Eifel gewütet hat. Noch immer laufen die Aufräumarbeiten. Vielen sitzt der Schock in den Knochen. Eine Betroffene blickt zurück auf das Hochwasser und verrät, was ihr Hoffnung gibt.

Schlammverschmierte Arbeitshandschuhe / © Harald Oppitz (KNA)
Schlammverschmierte Arbeitshandschuhe / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie wohnen in Schleiden in der Eifel, wo das Hochwasser ziemlich viel zerstört hat. Wie sah es da vor drei Wochen aus?

Laura Jurczyga (Hochwasser-Betroffene aus Schleiden in der Eifel): Vor drei Wochen waren wir alle sehr überrascht, dass das alles so plötzlich ging. Wir haben uns schon ein bisschen vorbereitet, mit Sandsäcken und Absperrungen vor der Haustür. Wie die Nachbarn halt auch. 

Wir haben aber niemals damit gerechnet, dass es bis ins Haus reingeht. Und was mich auf jeden Fall in der Nacht geprägt hat, war nicht nur, dass wir versucht haben, alles auf die zweite Etage zu bringen, sondern dass man auch durchgehend dieses Rauschen gehört hat.

Man hatte ja Wasser im Haus, Wasser im Garten, man hatte die ganze Zeit diese Geräuschkulisse. Wenn man nach draußen geschaut hat, war es dunkel und es waren überall Sachen. Wir hatten Holz im Garten, was nicht unseres war, es lagen Autos aufeinander und diese Autos schwammen auch in dem Wasser. 

Die Alarmanlagen sind angegangen, es war rot. Es war auf jeden Fall ein sehr schreckliches Bild. Ich glaube, das bleibt auch jedem so in Erinnerung. Jeder hat so sein eigenes Päckchen zu tragen und jeder hat so seine eigene Erfahrung in der Nacht gesammelt. Und die ist auf keinen Fall schön.

DOMRADIO.DE: Wie geht es den Menschen, die von diesem Hochwasser ziemlich überrascht worden sind und viel verloren haben?

Jurczyga: Ich glaube, man hat entweder ein Hoch oder ein Tief. Man schöpft irgendwie Hoffnung, man sieht die Helfer. Man ist überwältigt von der Hilfe. Man glaubt, dass alles wieder gut wird. Man hat einfach richtig positive Gefühle und Hoffnung.

Aufräumarbeiten in Schleiden / © Oliver Berg (dpa)
Aufräumarbeiten in Schleiden / © Oliver Berg ( dpa )

Und dann am Abend, wenn man dann in seinem Bett liegt und weiß, was unten im Wohnzimmer, in der Küche alles unter Wasser stand, dann sieht es wieder anders aus. Das sieht aus wie auf einer Baustelle. Man ist erschöpft von der ganzen Arbeit. 

Ich glaube, das ist mal ein Hoch und Tief. Und das wechselt. Es ist irgendwie gefühlt nicht mehr so wie früher.

DOMRADIO.DE: Hilfe und Solidarität waren ein wichtige Punkte. Davon wurde auch viel berichtet. Wie haben Sie das da erlebt?

Jurczyga: Am ersten Tag haben wir uns natürlich schon gefragt, wie wir das zu viert schaffen sollen und haben überhaupt nicht daran gedacht, dass wir so viel Hilfe bekommen. Es waren so viele Leute, Freunde, Bekannte, aber auch ganz fremde Leute bei uns zu Hause. 

Die haben angepackt, die haben geholfen. Man wusste ja manchmal auch gar nicht, wo man anfangen soll. Die hatten Ideen und kamen mit Anhängern und mit Schaufeln und allen möglichen Geräten. Das war der Wahnsinn. Die ganze Nachbarschaft hat so viel Hilfe bekommen und so viel Unterstützung von allen möglichen Seiten.

Nach dem Unwetter in Nordrhein-Westfalen / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Nach dem Unwetter in Nordrhein-Westfalen / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was gibt den Menschen denn jetzt in dieser Zeit, wenn das ganze Erlebnis so ein bisschen gesackt ist, auch wieder Hoffnung für die Zukunft?

Jurczyga: Mir gibt es auf jeden Fall zumindest Hoffnung, dass wir das als Familie schaffen; dass wir Veränderungen sehen und dass wir sehen, dass wir weiterkommen. Ich glaube, so geht das vielen. 

Man sieht den ganzen Matsch nicht mehr. Die Straßen werden sauberer, die Gärten werden leerer und da wächst wieder Gras. Man sieht es nicht mehr.

Ich glaube, das, was Hoffnung bringt, ist, dass es immer ein Stück wieder wie zu Hause wird. Man sieht, es wird wieder bewohnbar. Man fühlt sich wohler zu Hause. Ich glaube, das gibt mir Hoffnung.

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter? Sind die Leute jetzt aktuell noch voller Tatendrang oder zeigt sich auch vielleicht so eine gewisse Angst, dass das Ganze noch mal passiert?

Jurczyga: Ja, wir hatten in den letzten Wochen auch wieder sehr starken Regen. Und ich wohne am Bach. Man hat das schon gemerkt, dass man immer wieder nach draußen geschaut hat und einfach gehofft hat: Hoffentlich passiert das nicht noch mal. 

Und ich glaube, das wird auch die nächsten Jahre so sein, dass im Winter, wenn der Schnee schmilzt und unser Bach ansteigt, dass man sich immer fragt: Okay, es geht doch jetzt nur bis zur Straße – oder läuft es wieder über? Kommt es wieder ins Haus? Ich glaube, die Angst wird immer da sein, wenn so etwas ist.

Das Interview führte Michelle Olion.

Flutkatastrophe in Deutschland im Sommer 2021

Der Starkregen und das Hochwasser vom 14. und 15. Juli in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz war eine der folgenschwersten Naturkatastrophen in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt kamen mehr als 180 Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt.

Es entstanden Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe. Bund und Länder wollen für den Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon (KNA)
Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon ( KNA )
Quelle:
DR