Vor der katholischen Westminster-Kathedrale im Herzen Londons riefen einige Dutzend Menschen "Verräterin" - und demonstrierten gegen die Queen. Der Grund: Königin Elizabeth II. von England nahm als erste britische Monarchin seit rund 300 Jahren an einem Gottesdienst in einer katholischen Kirche teil. Das sorgte am 30. November 1995, vor 25 Jahren, noch bei einigen Menschen für Ärger.
Bei dem ökumenischen Abendgebet zum 100. Jahrestag des Baubeginns von Westminster Cathedral im Jahr 1895 ging es freilich im Inneren erheblich versöhnlicher als vor den Kirchtüren zu. Kardinal Basil Hume (1923-1999) würdigte die Anwesenheit der Queen als ein Zeichen dafür, dass "die Katholiken wieder einen Platz in der Gesellschaft haben".
Defensor Fidei - Verteidiger des Glaubens
Die Queen ist das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche und trägt den Titel "Defensor Fidei", Verteidiger des Glaubens - eine Auszeichnung, die Papst Leo X. vor knapp 500 Jahren ihrem Vorfahr Heinrich VIII. verlieh, als Auszeichnung für seinen Kampf gegen den Reformator Martin Luther.
Heinrich brach zwar später mit Rom, führte aber den Titel "Defensor Fidei" weiter - wie auch seine Nachfolger. Bis vor kurzem hatten die britischen Monarchen diesen Ehrentitel ausschließlich auf ihren anglikanischen Glauben bezogen. Doch die Queen zeigte in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend deutlich ihren Respekt auch vor anderen Glaubensgemeinschaften, beginnend mit den Katholiken.
Herzliche Beziehung zu Kardinal Hume
Als sich 1932 der damalige Erzbischof von Westminster ihrem Großvater George V. zum Silbernen Thronjubiläum mit einer Ergebenheitsadresse vorstellen wollte, wurde er noch vom Palast zurückgewiesen. Mit Kardinal Hume verband Elizabeth II. indes eine herzliche Beziehung.
Sie nannte den ehemaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz "meinen Kardinal" und verlieh ihm einen königlichen Verdienstorden.
Sein Nachfolger Kardinal Cormac Murphy O'Connor erhielt als erster katholischer Geistlicher 2002 eine Einladung zu einem Wochenendbesuch auf ihrem Landsitz Sandringham. Seine Aufgabe: Er sollte in dem Sonntagsgottesdienst die Predigt halten - auch das ein Novum in der Geschichte der katholischen Kirche Englands nach der Reformation.
Mit Ausnahme von Papst Paul VI. und Johannes Paul I. traf Elizabeth mit allen Päpsten ihrer Amtszeit zusammen, entweder in Rom oder in England. Schon als Thronfolgerin reiste sie in Begleitung ihres Ehemannes nach Italien, wo Pius XII. sie im April 1951 empfing.
Religion liefert kritische Richtlinien
Elizabeth lebt ihren Glauben und bezieht ihre Stärke daraus, wie sie immer wieder in ihren Weihnachtsansprachen betont. In die Treffen mit den Päpsten ging sie auf Augenhöhe.
Die Queen und ihr Mann, Herzog Philip von Edinburgh, haben aber nicht nur christliche Oberhäupter, sondern in den bald 70 Jahren ihrer Regentschaft auch viele andere Vertreter auch nicht christlicher Religionen getroffen und deren Gotteshäuser besucht, sowohl in Großbritannien wie auch im Commonwealth. Zu ihrem 60-jährigen Thronjubiläum 2012 besuchten sie einen Empfang, den der damalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, für acht Religionen im Königreich organisiert hatte.
Die Religion liefere kritische Richtlinien für "die Art, wie wir unser Leben leben und miteinander umgehen", betonte die Queen bei diesem Treffen. Viele der Werte und Vorstellungen, die in Großbritannien und anderen Staaten als selbstverständlich angesehen würden, hätten ihren Ursprung in religiösen Traditionen. Der Glaube spiele eine wichtige Rolle in der Identität von vielen Millionen Menschen, auch im Sinne eines Zugehörigkeitsgefühls.
Großbritannien ist ein Einwanderungsland mit Angehörigen verschiedenster Religionen. Der christliche Glaube, ob protestantisch oder katholisch, ist nur noch einer unter anderen. Die Kirche von Rom ist kein Feindbild mehr - daher war es nur folgerichtig, dass 2015 auch das Jahrhundert alte Verbot für den Thronfolger aufgehoben wurde, eine Katholikin zu heiraten.