DOMRADIO.DE: Wie kann denn die Queen ihren Ehrentag standesgemäß begehen, wenn um sie herum die Zahlen der Corona-Infizierten und der Covid-19-Toten steigen?
Helmuth Pathe (Adelsexperte): Ja, sie hält sich - schlicht und ergreifend - an die Empfehlungen ihrer Regierung, allenfalls im kleinsten Kreise auf den Geburtstag anzustoßen, wobei man wissen muss, dass sie gar nicht so ein Freund von großen Huldigungen ist. Die Glückwünsche ihrer Familie, die über das Land verstreut ist - Charles ist ja in Schottland -, wird sie per Videoschalte entgegen nehmen.
Ansonsten lebt auch sie in Quarantäne. Was zur Tradition der Geburtstagsfeier gehörte, wie etwa die Salutschüsse in London und auch in Windsor Castle, wurde abgesagt. Trooping the Colour, die offizielle Geburtsparade Anfang Juni, und auch die Hochzeit ihrer Enkelin Beatrix Ende Mai finden nicht statt. Der japanische Kaiser wird auch nicht zu Besuch kommen.
DOMRADIO.DE: Eine Woche vor Ostern hat die Queen eine historische Rede gehalten. Von Schloss Windsor aus hat sie sich mit einer Fernsehansprache an die Menschen des Landes gewandt. Zu Ostern hat sie noch ein Statement hinterher geschoben. Ziemlich ungewöhnlich, oder?
Pathe: Diese Ansprache vor Ostern im Fernsehen, aufgezeichnet in Windsor Castle, war eine von fünf, die sie außergewöhnlich gehalten hat. Sonst spricht sie ja immer nur zu Weihnachten zu ihrem Volk. Ich muss sagen, es hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mir angesehen, wie sie das vor allen Dingen gesagt hat. Ihre Botschaft war: Bessere Tage werden kommen.
Aber noch deutlicher ist sie in einem Tweet zu Ostern geworden: Licht und Leben sind größer. Ostern fällt nicht aus. Die Geschichte der Auferstehung Christi von seinem Tod kann Hoffnung geben. Wir wissen, dass uns das Coronavirus nicht bezwingen wird, so düster der Tod sein kann, vor allem für Trauernde.
Mit "Licht und Leben sind größer" bezieht sich die Queen ganz deutlich auf die Auferstehung Jesu. Das hört man ja hierzulande nur allenfalls zwischen den Zeilen. Die englische Königin bringt das ganz deutlich zum Ausdruck.
DOMRADIO.DE: Die Queen ist im Moment in Quarantäne, aber wahrscheinlich ist das eine Luxus-Quarantäne auf Schloss Windsor?
Pathe: Ja, soweit man Quarantäne in jedweder Form als Luxus bezeichnen kann. Bei dieser Fernsehansprache war nur ein Kameramann in Schutzkleidung im Raum. Alle anderen mussten im Nebenraum das Ganze technisch organisieren. Die Quarantäne wirkt sich schon auf sie aus, aber in gewisser Weise nicht auf ihre Routine im Alltag.
Wobei zu dieser Routine im Augenblick gehört, sich auch ein bisschen über ihren Enkel Harry und seine Frau Meghan zu ärgern. Denn die haben gerade gestern wieder einen Brief veröffentlicht, indem sie mitteilen, dass sie mit bestimmten Zeitungen wegen der Berichterstattung über sie nicht mehr reden wollen. Am Freitag beginnt auch ein Prozess, bei dem es um eine Zeitung geht, die aus Sicht der beiden über eine Geschichte vor ihrer Hochzeit verzerrend berichtet habe. Das wird der Queen nicht gefallen. Das ist aber Alltag.
Dazu gehören auch die roten Koffer, die sie jeden Tag von der Regierung geschickt bekommt. Darin sind Staatsunterlagen, die sie sich durchliest und gegebenenfalls abzeichnet. Auch per Videokonferenz zu telefonieren, wie sie das auch schon mit dem Erzbischof von Canterbury gemacht hat, ist Teil ihres Alltags. So ein bisschen Alltagsroutine findet also auch in ihrer Quarantäne statt.
DOMRADIO.DE: Immer an ihrer Seite ist natürlich ihr Gatte Prinz Philip, der am 10. Juni stolze 99 Jahre alt wird.
Pathe: Ja, das muss man einfach ganz deutlich unterstreichen: Sein Geburtstag Anfang Juni stand immer im Schatten der offiziellen Geburtstagsfeier Trooping the Colour, die immer Anfang Juni stattfindet. Außerdem hat sich der heute 98-Jährige schon länger aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Schlagzeilen hat er ja noch einmal Anfang letzten Jahres gemacht, als er in einen Autounfall verwickelt war und dann auf Drängen der Öffentlichkeit seinen Führerschein abgegeben hat. Was die Queen übrigens nicht getan hat, denn sie hat gar keinen Führerschein.
Jetzt hat sich Prinz Philip doch noch einmal gemeldet, ganz überraschend. Das macht deutlich, wie sehr diese Corona-Krise das Königshaus bedrückt. Er hat die wichtige und dringende Arbeit von Menschen bei der Post, in Lieferdiensten und auch bei der Müllabfuhr ganz deutlich gewürdigt und gesagt: Diese Menschen sichern unsere Infrastruktur in diesen Zeiten, und das ist ungeheuer wichtig und für ihn ein Grund, sich noch einmal an die Öffentlichkeit zu wenden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.