Es ist ein beispielloses Urteil: Das Amtsgericht Bremen hat den evangelischen Pastor Olaf Latzel am Mittwoch der Volksverhetzung schuldig gesprochen. Der 53 Jahre alte Theologe muss eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 90 Euro, also insgesamt 8.100 Euro zahlen.
Nach Auffassung des Gerichts hat Latzel zum Hass gegen Homosexuelle und Intergeschlechtliche aufgestachelt. Seine Äußerungen seien Stimmungsmache und könnten als Lizenz zum Handeln gegen diese Menschen verstanden werden, so die Vorsitzende Richterin Ellen Best.
Der Seelsorger der Bremer Sankt-Martini-Gemeinde hatte bei einem auch auf Youtube veröffentlichten Eheseminar unter anderem gesagt: "Der ganze Gender-Dreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch." Und: "Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christopher Street Day."
Latzel entschuldigt sich vor Gericht
Zur Verhandlung kamen sowohl zahlreiche Unterstützer Latzels als auch Anhänger der Lesben- und Schwulenbewegung. Der Pastor selbst erschien mit der Bibel in der Hand, gab sich ansonsten aber reumütig. Er entschuldigte sich für seine Worte und erklärte, sie seien missverstanden worden. Er lehne zwar die homosexuelle Lebensweise auf Grundlage der Bibel ab, habe aber nichts gegen Homosexuelle. Mit dem Wort "Verbrecher" habe er "militante Aggressoren" gemeint, die ihn und seine Gemeinde immer wieder attackierten.
Während die Verteidigung beim Prozess weite Exkurse zu Fragen der Bibelauslegung unternahm, sah die Richterin eine andere Kernfrage: Letztlich gehe es darum, wo Hetze beginne und wie gleichzeitig das hohe Gut der Meinungs- und Religionsfreiheit geschützt werden könne, sagte Best in ihrer Urteilsbegründung. Die Entscheidung darüber sei nicht einfach, viel Rechtsprechung gebe es in dieser Frage bislang nicht.
Die Unterscheidung zwischen Homosexuellen und Homosexualität ließ sie nicht gelten - was Latzel mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis nahm. "Homosexualität ohne Menschen ist nicht vorstellbar", erklärte sie. Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen sei Teil seiner Identität.
Zwar stachele nicht jeder gleich zum Hass auf, der Homosexualität oder Gender verbal ablehne. Doch Latzels Äußerungen gingen weit darüber hinaus. Der Zusammenhang, in dem sie gemacht worden seien, mildere sie nicht ab.
Best betonte, dass auch die Veröffentlichung des Eheseminars im Internet bei der Urteilsbildung eine Rolle gespielt habe. Die Reichweite sei Latzel, der regelmäßig Beiträge auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht und über 20.000 Follower hat, bewusst gewesen.
Strafe im untersten Bereich des Möglichen
Die Richterin machte deutlich, dass sie vor allem vor dem Hintergrund eines rauer werdenden gesellschaftlichen Klimas in Deutschland ein Zeichen setzen wollte. Während man bei nassem Wetter auch mal ein Feuer machen dürfe, sei es bei Dürre nicht mal erlaubt, ein Streichholz anzuzünden. "Was die öffentliche Kommunikation angeht, herrscht leider im Moment eine große Trockenheit", sagte sie an Latzel gerichtet und betonte: "Wir sollten uns alle dafür einsetzen, dass der Umgang miteinander wieder respektvoller wird."
Auf Volksverhetzung stehen bis zu fünf Jahre Haft. Damit liegt die Strafe im untersten Bereich des Möglichen. Best begründete dies damit, dass Latzel keine Vorstrafen habe, seine Aussagen im Nachhinein relativiert und mit einem Disziplinarverfahren der Bremischen Evangelischen Kirche wohl schon genug bestraft sei.
Pastor will Urteil anfechten
Latzel, der sich als bibeltreu bezeichnet, hatte in der Vergangenheit schon häufiger für Aufsehen gesorgt. So hatte er 2015 Buddhisten, Katholiken und Muslime diffamiert. Die Bremische Evangelische Kirche hatte sich von den Äußerungen ihres Pastors wiederholt distanziert.
Das Disziplinarverfahren gegen ihn hatte sie im Mai eröffnet, aber vorerst ausgesetzt, um den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten.
Das könnte sich nun noch hinziehen: Latzels Anwalt, Sascha Böttner, kündigte am Mittwoch an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Es sei ein "Einfallstor für die Beschränkung der Meinungsfreiheit". Wenn nötig, werde er bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.