DOMRADIO.DE: Ist die Flutkatastrophe ein Appell, uns noch mehr beim Umweltschutz zu engagieren?
Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): Definitiv, für mich persönlich war es das erste Ereignis, wovor Wissenschaftler uns in den letzten Jahren gewarnt haben, dass wenn wir nichts tun, kommen kann. Und jetzt ist es gekommen und wir müssen erst recht viel unternehmen, dass es nicht noch schlimmer wird.
DOMRADIO.DE: Bis 2060 will die EU mit ihren Mitgliedsstaaten klimaneutral werden. Ist das auch ein Ziel, das sich das Erzbistum Köln gesetzt hat?
Weingarten: Genau, wir haben im Oktober 2020 gesagt, wir wollen bis 2030 klimaneutral werden. Wir merken jetzt, was das für eine große Herausforderung ist, weil wir 4.500 Gebäude haben. Diese klimaneutral umzuwandeln ist viel Arbeit und viel Überzeugung vor Ort. Wir können hier im Generalvikariat die Prozesse anstoßen. Aber wir müssen die Menschen vor Ort auch immer mitnehmen. Und da ist ganz viel Bewusstseinsbildung notwendig.
DOMRADIO.DE: Was sind da Ängste und Sorgen, wenn sie in die Gemeinden kommen?
Weingarten: Zum einen ist immer die Frage des Geldes. Können wir uns das eigentlich leisten? Aber wir müssen eigentlich vom Geld weggucken. Gerade wenn wir jetzt diese Katastrophenbilder sehen, dürfen wir Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr nur ökonomisch betrachten. Das ist eine Aufgabe unserer Generation, den Klimawandel aufzuhalten.
Und dann können wir nicht nur gucken, ob eine Heizung jetzt mehr oder weniger kostet. Es geht darum, die Menschen zu überzeugen, zu sagen, dass das unsere Verantwortung an der Schöpfung ist. Da können wir nicht aufs Geld gucken, sondern müssen Änderungen vor Ort vornehmen.
DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln steckt viel Geld und viel Personal in Ihre Abteilung Umwelt und Klimaschutz. Warum ist das dem Erzbistum so ein großes Anliegen? Man könnte das auch der Politik überlassen.
Weingarten: Letztendlich durch die Veröffentlichung der Enzyklika "Laudato si" von 2015, wo Papst Franziskus einen ganz großen Appell an uns Christinnen und Christen gerichtet hat: Wir müssen unsere Mutter Erde schützen! Das war ein riesen Appell.
Es sind jetzt sechs Jahre seit dieser Veröffentlichung vergangen. Das heißt, wir sind eigentlich schon spät dran. Und wenn wir diese Enzyklika ernst nehmen, dann brauchen wir doch noch viel mehr Geschwindigkeit, als die, die wir schon haben.
DOMRADIO.DE: Wo entstehen denn im kirchlichen Bereich in den Pfarrgemeinden die meisten Emissionen?
Weingarten: Ganz vorne sind die Gebäude, knapp 85 Prozent der CO2-Emissionen sind in unserem Gebäudebestand. Das sind vor allem die großen Kirchengebäude.
DOMRADIO.DE: Da geht es dann um die Heizung?
Weingarten: Genau, das sind oft alte Heizungen - Ölheizung, Gasheizung und natürlich ein riesen Raum. Kirchen sind sehr hoch, die werden komplett beheizt, oftmals für einen kurzen Gottesdienst. Am Sonntag wird schon am Vortag angefangen zu heizen. Man darf auch nur sehr langsam aufheizen, sonst geht das Gebäude kaputt. Das erfordert sehr viele fossile Brennstoffe, um so ein großes Gebäude aufzuheizen.
Da sage ich persönlich: Wir brauchen keine Wohnzimmeratmosphäre in der Kirche im Winter, sondern wir müssen eher auf zehn Grad heizen, sodass das Gebäude geschützt wird und die Kirchenbesucher ziehen dann eher eine warme Jacke an für den Gottesdienst.
DOMRADIO.DE: Heizungen sind das eine. Was kann man noch machen?
Weingarten: Natürlich ist Photovoltaik auch ein Thema. Woher bekommen wir den Strom zum Heizen, wenn es in Richtung Wärmepumpen geht? Und dann müssen wir sagen: Wir haben viele Gebäude, viele Flachdächer - zum Beispiel auf Kitas, auf Schulen. Da ist Platz für Photovoltaik.
Und auch da hinken wir noch sehr hinterher, haben noch sehr wenig Photovoltaikanlagen. Das bedeutet, dass es noch viele potentielle Dachflächen gibt, die wir in den nächsten Jahren belegen können. Und aus meiner Sicht müssen wir das belegen, um unseren eigenen Strom letztendlich klimaneutral zu produzieren.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie gesagt, es geht um mehrere tausend Gebäude, die klimaneutral umgebaut werden müssen. Ist es denn realistisch zu sagen: Wir schaffen das bis 2030? Das sind immerhin nur noch neun Jahre?
Weingarten: Es ist sportlich, auf jeden Fall. Aber ich sage, wir haben keine andere Wahl. Wir müssen jetzt alles daran setzen, um das zu machen. Und ich glaube, wenn man es jetzt schafft, ist es in manchen Gebäuden sogar wirtschaftlicher. Und indem ich meinen eigenen Strom nutze, bezahle ich natürlich nicht so viel.
Das heißt, gerade auf einer Kita, auf einem Pfarrzentrum, kann es auch wirtschaftlich sein. Aber letztendlich, um unsere Schöpfung zu bewahren, müssen wir es jetzt machen und nicht auf die lange Bank schieben, sondern jetzt wirklich mit aller Kraft und aller Motivation starten.
DOMRADIO.DE: Jetzt wird es wegen Solardächern auf kirchlichen Kindergärten oder Dienstfahrrädern nicht unbedingt weniger Starkregen geben. Und die Meere werden auch nicht unbedingt wieder kälter durch Panels auf dem Dach. Warum sind denn diese kleinen Maßnahmen trotzdem wichtig?
Weingarten: Letztendlich ist der Klimaschutz ein Zusammenspiel von ganz, ganz vielen kleinen Maßnahmen. Und wenn wir bei jeder kleinen Maßnahme anfangen zu diskutieren, ob es sein muss oder ob es überhaupt etwas bringt, dann fangen wir gar nicht erst an.
Ich merke immer mehr an Ereignissen, an Dingen, die passieren, dass das Bewusstsein immer stärker wird und es dadurch auch immer wichtiger wird, kleine Maßnahmen anzupacken, damit immer mehr Menschen kleine Maßnahmen anpacken. Und wenn ganz Viele viele kleine Maßnahmen anpacken, dann haben wir letztendlich einen großen Plan für den Klimaschutz.
Das Interview führte Gerald Mayer.