"Wer von Euch weiß eigentlich, was kirchliche Märtyrer sind?" Auf die Frage der schon leicht ergrauten Religionslehrerin ertönt als Antwort - nichts, nur großes Schweigen. Nach Kräften bemüht sich die Lehrerin ihrer jungen Schülerschar hier auf dem großen Vorplatz vor dem Sankt Salvator Dom zu Fulda ein paar elementare Glaubensgrundlagen zu vermitteln. Einfach ist das offensichtlich nicht.
Von Christen, die im Ernstfall sogar bereit sind, ihren Glauben durch ihr Blut zu bezeugen, hat keiner der zwölf- bis dreizehnjährigen Schüler bis zu diesem Mittwoch etwas gehört. Vermutlich wüssten die meisten, das Gottschalk bei RTL Supertalente auswählen muss oder wie Schalke, Dortmund und die Bayern gestern Abend gespielt haben - aber dass der Heilige Bonifatius, der hier im Dom verehrt wird, für sein Glaubenszeugnis gestorben ist, hat offensichtlich bei Facebook noch keiner gepostet.
Dabei wäre doch gerade die Lebensgeschichte des "Apostel der Deutschen" bis hin zur Fällung der Donar-Eiche eine Erfolgsgeschichte, die von keinem TV-Supersternchen getoppt werden könnte. Aber die Weitergabe des Glaubens in Zeiten wie diesen, in denen man sich Unendlichkeit wünscht, aber nicht so recht weiß, wie das geht, ist schwer.
Davon können sicher auch viele der 67 Bischöfe ein Lied singen, die sich zu ihrer traditionellen Herbstvollversammlung hier in Fulda getroffen haben. Heute steht ein "Studientag" auf dem Programm. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker führt dazu mit einem Eröffnungsreferat ein. Becker war jahrelang für den kirchlichen Religionsunterricht in seinem Bistum verantwortlich, hat selber unterrichtet und versteht es durch seine direkte Art, Firmlinge auch heute noch durch seine Ansprache zu erreichen.
Die Bischöfe wollen bei ihrem Studientag erreichen, dass der Glaube auch an die kommenden Generationen möglichst gut und professionell weitergegeben wird. Sie bemühen sich um die richtige Kommunikation in der Katechese und im Religionsunterricht. Denn der zu beobachtende Grundwasserspiegel an Glaubenwissen ist inzwischen so tief gesunken, dass man ihn kaum noch messen kann. Viele Schüler und Jugendliche sind im Idealfall zwar noch getauft oder zur Kommunion gegangen - viele können aber kaum noch ein Kreuzzeichen und kennen schon gar nicht die Bedeutung. Mit einem besseren Miteinander von Religionslehrern und pastoralen Mitarbeitern in den Gemeinden will die Bischofskonferenz hier gegensteuern.
Auch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel will man hierbei prüfen. So soll am Donnerstag ein völlig neu überarbeitetes Internet-Portal "Katholisch.de" zu bewundern sein. Der Countdown ist auf der alten Seite bereits zu beobachten. Die Publizistische Kommission hat die neuen Seiten schon begutachtet. Jetzt fehlt noch der Segen der Bischöfe. Ab Donnerstag dürfen sich dann alle einklicken und man hofft so, den Glauben zukünftig noch wirksamer und wirkkräftiger in die heutige Zeit hinein zu sprechen.
Davon hat heute in der Frühmesse auch der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki gesprochen. In seiner kurzen Predigt erinnerte er eindrücklich an die Aussendung der zwölfJünger. Der Auftrag sei damals wie heute der gleiche: Krankheiten heilen, Dämonen austreiben und eine wirksame Verkündigung der Frohen Botschaft. Depressionen, Egoismus, Hass und Süchte seien die aktuellen Dämonen. Die heutige Zeit sei eher stark im Zweifel, stark in der Kritik und stark im Unglauben. Da gelte es gegenzusteuern. In dem von Papst Benedikt ausgerufenen Jahr des Glaubens, 50 Jahre nach der Eröffnung des Konzils, "geht es nicht ums Palavern, geht es nicht um Marathon-Dialoge, nicht um letztbegründete Glaubenphilosophien", betont der Berliner Erzbischof. Nein, Woelki fordert von den Bischöfen und den anwesenden Gläubigen (der Dom war leider kaum halbvoll und auch viele Bischöfe fehlten) "kein Marketing", sondern ein lebendiges Glaubenszeugnis. Es ginge nicht darum, sich bei den Menschen anzubiedern, sondern Gott zu suchen und Gott zu leben. Heute genauso wie damals bei der Aussendung der Jünger.
Leicht gesagt, aber doch oft so schwer zu leben. Das wissen natürlich auch die Bischöfe, die sich hier in Fulda redlich mühen, den Glauben in die nächsten Generationen zu übertragen. Die besorgten Minen in der Frühmesse sprechen für sich. Eigentlich könnte die "Feier des Glaubens" ruhig ein wenig mehr Herzensfreude vertragen. Ein wenig mehr Freude am Glauben wäre bestimmt nicht das schlechteste Rezept. Ist doch nichts so ansteckend wie die wahre Freude und das herzensfrohe Lachen.
Dabei wären die Schulkinder draußen auf dem Domplatz ein gutes Anschauungsbeispiel gewesen. Wären die Bischöfe vielleicht nicht sofort in der Sakristei oder in Klausur verschwunden, hätten sie dort sehen können, wie quietschlebendig Freude am Leben ausgetauscht werden kann. Nachdem die Religionslehrerin ihrer Schülerschar Märtyrer Bonifatius eindrücklich an Herz gelegt hat, spielt die junge Meute Fangen, sammelt und tauscht vergnügt Kastanien und lässt den Heiligen Bonifatius und den lieben Gott einen guten Mann sein…
Eindrücke des domradio.de-Chefredakteurs
Post aus Fulda (2)
Für domradio.de bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe ist auch Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen. In seiner "Post aus Fulda" schildert er regelmäßig seine Eindrücke des Treffens. Warum hat eigentlich noch niemand bei Facebook gepostet, dass der Heilige Bonifatius für sein Glaubenszeugnis gestorben ist.
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