Die Frankfurter Buchmesse ist politisch wie selten zuvor. Der ukrainische Stand ist umlagert, als Andrej Kurkow sagt, er spreche gerade lieber über die Ukraine als über sein Buch. Für Diskussionen zur Lage im Iran wurde kurzfristig ein prominent besetztes Podium eingerichtet. Hätte die Kirche zu den brennenden Problemen der Welt auch etwas zu sagen?
Man weiß es nicht, denn die Kirche wird nicht mehr gefragt, sie ist mit sich selbst beschäftigt, sie arbeitet sich an Problemen ab, die für die Menschen heute keine Bedeutung mehr haben. Sex außerhalb der Ehe soll verboten sein? Wie bitte? Geht´s noch? Frauen werden von leitenden Kirchenämtern kategorisch ausgeschlossen? Hm? Leben wir noch in dunklen Vergangenheiten? Auf der Buchmesse wird der Relevanzverlust der katholischen Kirche erlebbar.
Buchmesse vor Corona insgesamt größer
In einer Ecke in Halle 3.1. gibt es den Stand des katholischen Medienverbandes. "Frauen stören", stellt Schwester Katharina Ganz in ihrem Buch fest – daneben der Titel "Katholisch und Queer". Ach ja, die Kirche muss erst einmal die Probleme von Gestern lösen. "Geht´s noch Gott?", die Frage auf dem Titel des neuen Buches von Bruder Paulus scheint da irgendwie zu passen.
Was auffällt: Der Stand des Medienverbandes ist sehr geschrumpft und auch der Medienbischof kommt nicht mehr vorbei, sondern schickt seinen Stellvertreter.
Vor Corona war die Buchmesse insgesamt größer, viel mehr Aussteller waren da, das stimmt. Aber warum der Herder Verlag seinen sonst prominenten Auftritt gleich ganz abgesagt hat, bleibt rätselhaft. "Die Buchmesse habe in dieser Form keine Zukunft", sagt der ehemalige Chef des Verlages Manuel Herder.
Aber dann gleich ganz verschwinden? Schließlich war der großräumige Herderstand stets ein lebendiger Ort der kreativen Begegnung. Politiker trafen sich hier mit Theologen und Autoren – es wurde viel diskutiert. Hier hätte man sicher gern die Zukunft der Bücher, der Buchmesse und natürlich auch der Kirche und der Religion ausgelotet. Wo findet der Austausch der an Religion Interessierten jetzt statt?
Sehnsucht nach Frieden, Sicherheit und warmen Zimmern
Austausch mit der katholischen Kirche? Große Teile der Gesellschaft scheinen mit der Kirche abgeschlossen zu haben. Wenn ich mich als DOMRADIO.DE Redakteur in Frankfurt vorstelle, dann wird sofort über das Erzbistum Köln herumgewitzelt. Ein mildes Lächeln, mehr bleibt da nicht. Aber ist mit dem Bedeutungsverlust der Kirchen zugleich Gott baden gegangen?
"Für mich hat Gott etwas Unerledigtes, und das bleibt auch so", sagt der Suhrkamp Autor Heinz Helle im DOMRADIO.DE Interview. Mit Gott werde man ja nie fertig, denn der sei nicht aus der Welt zu schaffen. Dass die Frage nach Gott bleibt, wird auch in diesem dunklen Herbst in vielen Romanen deutlich.
Der Buchpreisgewinner Kim de l´Horizon begibt sich in seinem Roman auf "Jakobswege". Michael Kumpfmüller schickt seinen Romanhelden Jeschua ins Berlin unserer Tage. Hanns-Josef Ortheil erzählt, dass er ein Buch über das Neue Testament schreiben will und Felicitas Hoppe hat ein kleines Büchlein mit "Gedankenspielen über Sehnsucht" geschrieben. Klar, darin kommt auch Gott vor – in Zeiten, in denen wir uns gerade nach Frieden, nach Sicherheit und warmen Zimmern sehnen.