Das Müttergenesungswerk feiert 70. Jubiläum

"Eine Auszeit vom Alltag"

Das Müttergenesungswerk steht inzwischen nicht nur Müttern offen. Denn nicht nur die Erziehung der Kinder, sondern auch die Pflege eines Familienangehörigen ist kräftezehrend - besonders wenn man auch berufstätig ist.

Erschöpfte Mutter / © Lena Ivanova (shutterstock)

DOMRADIO.DE:  In Deutschland werden zwei Millionen Menschen zu Hause gepflegt. Was sind denn die größten Hürden und Hindernisse für die Menschen, die ihre Familienangehörigen pflegen?

Ingrid Effenberger (Katholischen Arbeitsgemeinschaft Müttergenesung​ im Erzbistum Köln): Die meisten, die ihre Familienangehörigen zu Hause pflegen, haben eigentlich kein Eigenleben mehr. Eine Pflege eines Angehörigen ist sehr intensiv, häufig 24 Stunden, je nach Schwere der Behinderung oder auch der Beeinträchtigung, von daher ist das schon sehr kräftezehrend.

DOMRADIO.DE: Und weil das so kräftezehrend ist, gibt es auch Möglichkeiten, wenn man alleine mit der Pflege eines Familienangehörigen ist. An wen kann man sich da wenden?

Effenberger: Sie können sich seit Neuestem unter anderem auch an uns wenden. Einfach, um mal eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Das ist sehr niederschwellig, weil es wie bei den Mutter-Kind-Maßnahmen hier auch spezielle Angebote für pflegende Angehörige gibt, wo es einfach nochmal die Möglichkeit gibt, etwas für sich zu tun, den Pflegenden in den Maßnahmen gut betreut zu wissen oder aber auch zu Hause am Heimatort, sodass man einfach wieder ein bisschen zu Kräften kommen kann.

DOMRADIO.DE: Wenn man eine kurze Auszeit braucht oder einen Termin hat, dann kann man sich an Sie wenden. Wie läuft das konkret?

Effenberger: Das läuft wie bei den anderen Maßnahmen bei uns auch. Man kann einen Antrag stellen. Man geht zum Arzt und bekommt ein Attest über seine Beschwerden. Viele Menschen haben Rückenbeschwerden oder auch Erschöpfungseerscheinungen. Manche Menschen können vor lauter Erschöpfung nicht mehr schlafen.

Dieses Attest wird bei der Krankenkasse eingereicht, die auch die Kosten für eine Maßnahme übernimmt. Unsere Fachstellen beraten dann die pflegenden Angehörigen, welche Einrichtung für sie sinnvoll und gut ist. Beim Müttergenesungswerk ist es so, dass wir darauf achten, dass die Kliniken klein sind, und man nicht in große Einheiten kommt, was ja noch zusätzlichen Stress bedeutet, sondern dass man wirklich einfach auch mal die Seele ein bisschen baumeln lassen kann.

DOMRADIO.DE: Die Doppelbelastung ist ein Riesenthema: Einerseits die private Pflege zu Hause, andererseits ist man noch ganz normal im Beruf. Da bleibt wenig Zeit für andere Dinge. Das muss man ja auch irgendwie zusammenbekommen.

Effenberger: Nicht nur, dass man im Beruf ist, sondern viele Frauen haben spät Kinder bekommen. Das heißt, die eigenen Kinder sind noch im Haus. Dann wird vielleicht Mutter, Vater, Schwiegermutter pflegebedürftig, und man hat noch einen Job. Das sind manchmal nicht nur Doppel-, sondern auch diese Dreifachbelastungen. Und dann sind 24 Stunden einfach zu wenig.

DOMRADIO.DE: Dann muss man sich durch diesen "Pflegedschungel" kämpfen und Anträge stellen. Gibt es da Hilfe, damit man keine Fehler macht und der Antrag dann irgendwie abgelehnt wird?

Effenberger: Wir haben flächendeckend im Erzbistum Köln 29 Beratungsstellen, die man aufsuchen kann. Sie bieten einen Wegweiser durch diesen Behördendschungel.

DOMRADIO.DE: Das Müttergenesungswerk feiert heute genau 70-jähriges Bestehen. Aber Sie hier in Köln haben auch noch ein großes Jubiläum vor sich, auch in diesem Jahr.

Effenberger: Der katholische Teil des Müttergenesungswerks, die Katholische Arbeitsgemeinschaft in Köln, ist schon seit 90 Jahren aktiv und hat damals schon gesagt, wir müssen etwas für Mütter tun. Elly Heuss-Knapp hat sich sehr stark dafür engagiert und hat diese Stiftung des Müttergenesungswerks ins Leben gerufen, in die die Katholische Arbeitsgemeinschaft übergegangen ist. Und von daher haben wir in diesem Jahr einen doppelten Grund zu feiern.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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