Welche Rolle spielt der Papst-Botschafter in Deutschland?

"Eine diplomatische Notlösung"

Erzbischof Nikola Eterovic ist ein Mann, der selten im Rampenlicht steht, aber eine große Rolle spielt - für die Kirche und auch für die Bundesrepublik. Unter anderem steht der Nuntius dem diplomatischen Korps vor. 

Nikola Eterovic (l.) im Gespräch mit Kardinal Reinhard Marx (Archiv) / © Harald Oppitz (KNA)
Nikola Eterovic (l.) im Gespräch mit Kardinal Reinhard Marx (Archiv) / © Harald Oppitz ( KNA )

Denkt man an Kirchenmänner in Deutschland, die eine große Rolle spielen, kommen einem als erstes die Kardinäle Marx und Woelki in den Sinn, vielleicht noch die Metropoliten Koch, Heße, Becker, Schick und Burger. Den Kroaten Nikola Eterovic werden die wenigsten auf der Liste haben, obwohl er für die Geschicke der katholischen Kirche in Deutschland mitunter eine größere Rolle spielt, als so mancher Erzbischof.

Eterovic ist seit 2013 Nuntius – Botschafter – des Papstes in Deutschland. Auch wenn er selten ins Licht der Öffentlichkeit tritt, ist sein Einfluss keinesfalls zu unterschätzen.

Ist der Nuntius ein Botschafter?

Auch wenn der Vergleich zum weltlichen Botschafter nahe liegt, stimmt das doch nicht so ganz. Wie ein Botschafter vertritt der Nuntius die Interessen eines "völkerrechtlichen Subjekts". Da kommen wir aber schon zum ersten Unterschied, ganz korrekt spricht der Nuntius nämlich nicht im Namen des Staates Vatikan, sondern des Heiligen Stuhls.

Der Heilige Stuhl ist – vereinfacht – das Management der katholischen Kirche in aller Welt, mit dem Papst an der Spitze. Wo ist der Unterschied? Der Vatikan umfasst ein paar hundert Staatsbürger, der Heilige Stuhl ist für 1,3 Milliarden Katholiken zuständig. Ein Botschafter für eine Religionsgemeinschaft ist ungewöhnlich, zählt aber zu den Sonderrechten, die der Heilige Stuhl genießt, wie auch ein Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.

Der Nuntius nimmt aber nicht nur die weltlichen Aufgaben eines Botschafters wahr. Seine Aufgabe ist auch als geistliche zu betrachten. So heißt es im CIC, dem Kirchenrecht: "Der Apostolische Nuntius ist zugleich Priester und Diplomat. So wie der Heilige Vater sowohl eine geistliche als auch eine weltliche Position in einem Amt vereinigt, wobei der Primat im Ersteren liegt (suprema lex salus animarum), so erfüllt auch der Apostolische Nuntius primär nicht eine zwischenstaatliche, sondern eine innerkirchliche Funktion."

Deswegen liest man hin und wieder Schlagzeilen, wie: "Nuntius fordert deutsche Bischöfe auf, das Evangelium zu verkünden" oder sieht den Papst-Botschafter beim "Marsch für das Leben" klar Position für den Lebensschutz beziehen.

Erster unter gleichen

Und noch ein interessantes Sonderrecht des Papst-Botschafters: Der Nuntius hat in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in anderen Ländern) einen besonderen Status unter den Botschaftern. Er ist der sogenannte "Doyen", französisch für Dekan. Der Vatikan-Botschafter steht damit also dem gesamten diplomatischen Korps in Deutschland vor und spricht zum Beispiel bei offiziellen Anlassen im Namen der 159 Botschafter bei der Bundesrepublik.

Verantwortlich dafür ist eine diplomatische Notlösung. Lange Zeit haben sich die Botschafter der großen Weltmächte gestritten, wer denn nun das diplomatische Korps anführt. Mit der Wahl des Papst-Vertreters muss die Bundesrepublik keiner Nation den Vorrang geben. Diese Regelung gilt seit 1964.

Direkter Draht nach Rom

Neben den klassischen Diplomatenaufgaben – Beziehungen zu anderen Ländern – hat der Nuntius auch wichtige innerkirchliche Aufgaben. Er soll "das Band der Einheit" (Zitat Papst Paul VI.) zwischen Rom und den Ortskirchen wahren.

Einfach ausgedrückt: Der Nuntius hält den Papst und den Vatikan auf dem Laufenden, wie es um die Kirche in seinem Einsatzland steht. Gibt es Konflikte zwischen den Bischöfen? Debatten rund um Kirche und Staat? Der Heilige Stuhl schickt Vertreter in 127 Staaten. Da ist es schier unmöglich für Rom, den Überblick zu behalten, deshalb vertraut die Kurie auf die Berichte ihrer Diplomaten.

Rolle bei Bischofsernennungen

Der Nuntius hat für den Vatikan auch noch eine zweite wichtige, wenn auch ein wenig inoffizielle Aufgabe. Der Papst-Botschafter spielt eine große Rolle bei der Ernennung neuer Bischöfe. Auch hier können Papst und Kurie keinen Überblick über geeignete Kandidaten in der ganzen Welt behalten. Deshalb recherchiert der Nuntius in vakanten Bistümern, wer sich als neuer Hirte eignen würde, und schlägt dem Papst mögliche Kandidaten vor. Der Nuntius hat also großen Einfluss auf die Zusammensetzung der örtlichen Bischofskonferenz – zumindest, wenn der Papst seinem Rat folgt.

Konflikte gab es in den vergangenen Jahren zum Beispiel mit dem ehemaligen US-Nuntius Carlo Maria Viganò. Der beklagte sich öffentlich, dass Papst Franziskus bei Bischofsernennungen seine Vorschläge umging, was dem Papst zusteht, aber nicht den üblichen Gepflogenheiten entspricht. Auch der einstige Nuntius in Belgien, Karl-Josef Rauber, protestierte gegen die Ernennung André-Joseph Léonards zum Erzbischof von Mechelen-Brüssel, womit Papst Benedikt XVI. den ausdrücklichen Rat Raubers übergangen hatte.

Renardo Schlegelmilch


Nikola Eterovic, Apostolischer Nuntius in Deutschland, auf dem 101. Deutschen Katholikentag in Münster am 9. Mai 2018 / © Harald Oppitz (KNA)
Nikola Eterovic, Apostolischer Nuntius in Deutschland, auf dem 101. Deutschen Katholikentag in Münster am 9. Mai 2018 / © Harald Oppitz ( KNA )

Nikola Eterovic, Apostolischer Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, und Papst Franziskus am 19. Oktober 2020 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Nikola Eterovic, Apostolischer Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, und Papst Franziskus am 19. Oktober 2020 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR
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