Eine Kritik zur RTL-Show "Die Passion"

Oh Gott, was schaue ich da?

Millionen Menschen haben sich am Mittwoch die RTL-Show über den Leidensweg Christi angesehen. "Die Passion" sorgte für Lachen und Weinen, im guten und im schlechten Sinne. Florian Helbig ist vom Format nicht überzeugt.

Autor/in:
Florian Helbig
Fernseher und Fernbedienung / © Concept Photo (shutterstock)
Fernseher und Fernbedienung / © Concept Photo ( shutterstock )
Das Logo zu "Die Passion".  (RTL)
Das Logo zu "Die Passion". / ( RTL )

Es war eine Mischung aus der Schauspielkunst von "Berlin – Tag & Nacht", populären Musikeinlagen wie beim ZDF "Fernsehgarten" und einem Hauch von "Wetten dass…?" (zwar ohne Wetten, aber immerhin mit Thomas Gottschalk und einem Außengeschehnis). Und auch viele weitere Promis haben sich zum mitmachen überreden lassen.

Jesus, gespielt von Alexander Klaws, dem ersten Sieger der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar", kommt zusammen mit seinen Jüngern mit dem Bus in Essen an, wandert durch die Straßen der Stadt und sitzt in einer Kneipe und trinkt Wein. Ein normaler Alltags-Jesus, der sogar mal zur Pommesbude geht und sich Fladenbrote und zweimal geschnittene Currywurst abholt.

Ziemlich blöd geguckt

"Ich glaube, das lässt auch Menschen aufhorchen, die nicht viel mit Religion anfangen können", erklärte der Passions-Jesus Alexander Klaws vor der Show zur Szene an der Pommesbude. Reiner Calmund hat dabei jedenfalls blöd geguckt. In der Szene steht Calmund selbst an der Pommesbude und isst, während Jesus seine Bestellung abholt. Genauso blöd geguckt haben wahrscheinlich auch viele zu Hause vor dem Fernseher, als sie selbst nicht so richtig wussten, was sie da eigentlich gerade gucken.

Später wird Jesus noch von Judas, gespielt von Mark Keller, an die Polizei verraten. Die kommt mit zig Autos und Blaulicht und verhaftet den Jesus, der dann später von Pontius Pilatus, gespielt von Henning Baum, auf der großen Bühne verurteilt wird. Zwischendurch werden immer wieder passende Popsongs von den Schauspielern gesungen – und auch von Maria, gespielt von Ella Endlich, die immer auffällig alleine ist, bis sie Jesus das letzte Mal zu sehen bekommt und auch da nur auf Abstand singt.

Vorstellung aller Teilnehmer zum RTL Musik-Live-Event Die Passion in Essen im Jahr 2020 / © Friedrich Stark (epd)
Vorstellung aller Teilnehmer zum RTL Musik-Live-Event Die Passion in Essen im Jahr 2020 / © Friedrich Stark ( epd )

Wertevermittlung am leuchtenden Kreuz

Gleichzeitig beim "Außenereignis", bemüht sich RTL-Moderatorin Annett Möller, die Glaubensgeschichten einiger Menschen auf der Straße mitzunehmen, während die gleichzeitig ein riesiges, weißleuchtendes Kreuz durch die Straßen Essens tragen. "Die Kollegen von RTL haben gesagt, dass es ihnen vor allem um die übergreifenden Werte gehe", erklärte Dr. Theresa Kohlmeyer, vom Bistum Essen vor der Show. Wahrscheinlich waren diese kurzen Glaubenszeugnisse damit gemeint. Ein bisschen christlicher Glaube und ein paar christliche Werte konnte der Sender damit über den Bildschirm bringen und ans Publikum vermitteln.

Das Bistum Essen war selbst nicht an der Gestaltung der Show beteiligt. Mit Religion sollte "Die Passion" sowieso nicht viel zu tun haben. "Wir wollen die Geschichte frei von Religion sehen", sagte Schauspieler Alexander Klaws. Jesus sollte im Hier und Jetzt gezeigt werden und "nicht als Gottheit". Daran hat sich auch Erzähler und Showlegende Thomas Gottschalk größtenteils gehalten. Er hat immer die Handlung der Show mit der Geschichte der Passion verknüpft. Gut so, denn ohne die biblischen Einordnungen hätte die Sendung für die Zuschauer wahrscheinlich keinen Sinn ergeben.

Kirchliches Begleitprogramm

Obwohl die Kirchen nicht an der Entwicklung beteiligt waren, gab es ein Begleitprogramm. Vor Ort in Essen seien Kirchen geöffnet gewesen und eine seelsorgerische Begleitung habe stattgefunden. Aber auch online durch das Bonifatiuswerk gab es Begleitung. Dessen Leiter, Msgr. Georg Austen kündigte vorher an, selbst vor Ort in Essen die Show auf dem Burgplatz verfolgen zu wollen. Mit dem Showformat könne die Kirche "neue und mutige Wege gehen" und die Menschen einladen, über das "österliche Geheimnis nachzudenken". Für manche mag das tatsächlich so gewesen sein.

Interessant ist hingegen, was Essens Bischof Franz-Josef Overbeck zur Sendung sagt. Der Bischof kündigte an, die Sendung auf jeden Fall zu gucken. Vielleicht überbrückte er dabei nur die Zeit bis zur Passionsgeschichte auf Arte. Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz bot nämlich am selben Abend auch eine Passionsgeschichte an, den Film "Das Neue Evangelium". Auch ein Passionsspiel, aber keine Show, sondern eine Mischung aus Doku und Fiktion, die immerhin vom katholischen Filmdienst empfohlen wird.

"Aus RTL austreten"

Auf Twitter wurde "Die Passion" von RTL jedenfalls mit Humor gefeiert. Gebetet wurde da, dass sich die zuständige Landesmedienanstalt einschaltet. Gehofft wurde darauf, dass die Polizei Essen die Show beendet (und nicht nur den "Jesus" abführt). Und Satiriker Jan Böhmermann will sogar einen Termin beim Amtsgericht machen, um aus RTL auszutreten.

Insgesamt war die Sendung eine, für manche lustige, für andere grausame, typische Privatfernseh-Show mit Musik, Stars und vielen denkwürdigen Eindrücken.

Kreuzweg Jesu

In Passionspielen wird der Kreuzweg Jesu nachgespielt. Der Kreuzweg erinnert an das Leiden und Sterben Jesu. Dabei handelt es sich um einen Wallfahrtsweg, bei dem der Beter den einzelnen Stationen des Weges Jesu von der Verurteilung bis zum Kreuzestod folgt. Der Begriff meint auch eine Andachtsform, bei der der Beter den Leidensweg innerlich nachvollzieht.

Kreuzweg: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen (KNA)
Kreuzweg: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen / ( KNA )
Quelle:
DR