2020 war die Tour de France wegen Corona eine weitgehend virtuelle und auch noch um zwei Monate verspätete Reise. Natürlich, die Fahrer fuhren - aber daneben war kaum etwas wie sonst. Bis zu zwölf Millionen Zuschauer stehen in normalen Jahren am Streckenrand. Trotz immer noch beachtlicher Inzidenzen ist 2021 wieder mehr möglich.
176 gemeldete Starter mit rund 450 Begleitern wollen am 26. Juni im bretonischen Brest zur diesjährigen 108. Tour de France aufbrechen. Wie jedes Jahr rasen sie an jeder Menge Kulturerbe vorbei, an vielen der schönsten Dörfer und Städte Frankreichs. Die berühmteste Rundfahrt der Welt, ausgetragen seit 1903, bietet sich auch an, um kleine und große Sehenswürdigkeiten des Landes kennenzulernen; als Streifzug durch Geschichte, Kultur und Kulinarik - kurzum: als eine Visitenkarte der "Grande Nation".
3.383 Kilometer in drei Wochen
3.383 Kilometer in rund drei Wochen haben die Fahrer dieses Jahr in 21 Etappen zu bewältigen; die längste Tagesstrecke geht über 248 Kilometer. Auch die 108. Tour führt natürlich durchs Hochgebirge; diesmal durch die Alpen, die Pyrenäen und das Jura. Und wie immer gilt das Urteil von Herbert Watterott, der "Stimme der Tour", der das Rennen zwischen 1965 und 2006 insgesamt 41-mal kommentierte und am 21. September 80 Jahre alt wird: "ein radsportverrücktes Örtchen, in dem auch guter Wein gemacht wird".
Schon die erste Etappe von Brest nach Landerneau führt auf 187 Kilometern durch abwechslungsreiche Postkartenkulissen der Bretagne; unter anderem nach Quimper mit seiner mittelalterlichen Kathedrale Saint-Corentin. Vom Badeort Perros-Guirec an der rosa Granitküste geht es am zweiten Tag ins Innere der einst tiefreligiösen Bretagne. Zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert entstanden hier an vielen Dorfkirchen steinerne sogenannte Kalvarienberge ("calvaires"), imposante und figurenreiche Darstellungen des Leidensweges Christi. Um das Kreuz gruppieren sich Engel, Frauen und Soldaten.
Vorbei an alter Abtei und Kathedrale
In Redon, dem Startort der 4. Etappe, sind beeindruckende Teile der fast 1.200 Jahre alten Benediktinerabtei Saint-Sauveur erhalten, am Zielort Fougeres eine der größten erhaltenen Festungen Europas. Die 6. Etappe nach Chateauroux hält gleich zwei kulturelle Highlights bereit: Tours, die Pilgerstadt des heiligen Martin am Jakobsweg, und eine Passage entlang der Schlösser an der Loire.
Nach einem Ruhetag geht es am 2. Juli von Vierzon nach Le Creusot. Unterwegs sorgt eine Drohne für Luftbilder der wunderbaren Stephanskathedrale in Bourges, seit 1992 Weltkulturerbe der Unesco. Inzwischen im sonnigen Süden angelangt, führt die 11. Etappe von Sorgues im Vaucluse, wo Pablo Picasso und George Braque gemeinsam malten, zum Zielort Malaucene, einem pittoresken Kleinstädtchen mit einer Wehrkirche aus dem 14. Jahrhundert. Dazwischen liegt freilich die gleich zweifache Bezwingung des legendären Mont Ventoux.
Radrennen und Kultur
Nach einer Fahrt durch die Schluchten der Ardeche endet die 12. Etappe in der Römerstadt Nimes mit ihrem Amphitheater und einem Tempel aus dem 1. Jahrhundert. Von dort geht es tags darauf nach Carcassonne mit einem mittelalterlichen Festungsring wie aus dem Märchen. Einst war die Stadt im Languedoc ein Hauptstützpunkt der Sekte der Katharer. Die Rennwoche endet in der höchstgelegenen Hauptstadt Europas: Andorra la Vella in den Pyrenäen, ein Ort mit bedeutenden romanischen Kunstschätzen.
Wegen seiner Nähe zu den Pyrenäenpässen ist Pau die dritthäufigste Etappenstadt der Tour. Hier lohnt eine Besichtigung des Schlosses, Geburtsort König Heinrichs IV., einer Schlüsselfigur der Religionskriege. Entschieden ist die Rundfahrt dann spätestens in den berühmten Weinlagen von Saint-Emilion, dem Ankunftsort der 20. Etappe unweit von Bordeaux. Denn am folgenden Abschlusstag mit seinen diesmal 112 Kilometern wird der Führende traditionell nicht mehr angegriffen.
In der Hauptstadt Paris, natürlich auch kulturell eine der Top-Adressen weltweit, endet jede Tour de France. Auf den Champs-Elysees gibt es für den Sieger Lorbeer, Küsschen, Schampus, das Gelbe Trikot, einen Corona-Test und ein Döschen für die Dopingprobe.