Eine kurze Geschichte der Zeitumstellung in Deutschland

1947 gab es sogar eine Mitteleuropäische Hochsommerzeit

Die Zeitumstellung hat eine Geschichte: Immer wieder hat der Staat an der Uhr gedreht. Kriege und Ölkrise sorgten für die Einführung einer Sommerzeit. 1947 gab es sogar eine Mitteleuropäische Hochsommerzeit in Deutschland.

Autor/in:
Christoph Arens
Zifferblatt einer Turmuhr / © Harald Oppitz (KNA)
Zifferblatt einer Turmuhr / © Harald Oppitz ( KNA )

Millionen von Armband-, Bahnhofs- und Kirchturmuhren müssen sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag umstellen - und Menschen und Tiere dazu. Dann ticken Deutschland und fast alle europäischen Länder wieder nach der Winterzeit. 

In der Zeit vor der Uhr

Dass Uhren den Lebensrhythmus bestimmen und Arbeitszeit und Freizeit definieren, ist historisch ziemlich neu. Bis weit ins 19. Jahrhundert richteten sich Bauern, Arbeiter und Handwerker nach Sonnenstand, Klima, Wachstumsperioden der Natur oder nach der anfallenden Arbeit: Sie verrichteten ihr "Tagwerk" oder bestellten ihren "Morgen" Land. Lediglich in Klöstern und an Adelshöfen wurden seit dem Mittelalter Sonnen-, Sand- und Wasseruhren verwendet.

Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte zudem jeder Ort seine eigene Zeit, die sich am Stand der Sonne orientierte. Uhren an Kirchtürmen und kommunalen Glockentürmen gaben den Zeitrhythmus für die unmittelbare Umgebung vor. Die Hauptstädte der deutschen Staaten beanspruchten, den Takt für ihr Herrschaftsgebiet vorzugeben: In Bayern richtete man sich nach der "Münchener Ortszeit", in Preußen seit 1848 nach der "Berliner Zeit". Aber mit dem Ausbau des europaweiten Eisenbahnnetzes wurde eine einheitliche Zeitrechnung immer wichtiger.

Kriege bestimmen auch die Zeit

Eine globale Vereinheitlichung wurde erstmals 1884 angestrebt, als in Washington die Einteilung der Welt in 24 Zeitzonen beschlossen wurde. Für das Deutsche Reich trat am 1. April 1893 ein von Kaiser Wilhelm II. unterzeichnetes Gesetz in Kraft, mit dem die "mittlere Sonnenzeit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich" im gesamten Reich zur einzig gültigen Uhrzeit bestimmt wurde - heute ist sie als Mitteleuropäische Zeit bekannt.

Der Krieg allerdings erwies sich dann auch als Vater einer veränderten Zeitrechnung. Ab 1916 führte das Kaiserreich eine Sommerzeit ein, um das Tageslicht in Landwirtschaft und Rüstungsindustrie besser nutzen zu können. Drei Jahre lang stellte Deutschland die Uhren von Ende März bis Ende September eine Stunde vor. 1919, zu Beginn der Weimarer Republik, wurde diese ungeliebte Kriegsmaßnahme wieder rückgängig gemacht. Auch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Sommerzeit 1940 wieder eingeführt. Eine Stunde mehr Helligkeit bedeutete mehr Arbeitszeit - ein nicht unbedeutender Aspekt in der damaligen Rüstungsindustrie.

Zeitchaos nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Ende des Zweiten Weltkriegs führte dann zu einem kleinen Zeitchaos. Als Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte, waren die Uhren bereits auf Sommerzeit umgestellt. In der sowjetischen Besatzungszone wurden am 24. Mai die Uhren noch eine weitere Stunde vorgedreht - das entsprach der Moskauer Zeit. Und weil die Sommerzeit in den westlichen Besatzungszonen früher beendet wurde, gab es eine Woche lang einen Unterschied von zwei Stunden zwischen den beiden Teilen Deutschlands.

Und es wurde noch komplizierter: 1947 wurde überall im geteilten Land mit dem doppelten Zeitsprung experimentiert: Im April begann die gewöhnliche Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ), im Mai sprang man eine weitere Stunde auf die Mitteleuropäische Hochsommerzeit (MEHSZ), im Juni und Oktober dann jeweils wieder eine Stunde zurück. Ein nur einmalig durchgeführtes Experiment - 1948 und 1949 gab es noch einmal die gewöhnliche Sommerzeit.

Debatte um die Zeitumstellung

Zwischen 1950 bis 1979 drehte Deutschland nicht an den Uhren. Doch schließlich veränderte die Ölkrise erneut den Takt: Durch eine bessere Nutzung des Tageslichts sollte Energie gespart werden. Weil Frankreich und andere europäische Staaten vorgeprescht waren, wurde am 6. April 1980 in beiden deutschen Staaten erneut die Sommerzeit eingeführt. Bis 1996 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der EU vereinheitlicht. Seitdem stellt auch Deutschland die Uhren von Ende März bis Ende Oktober um.

Fragt sich nur, wie lange noch: Denn Umfragen zeigen, dass die Zeitumstellung sehr unbeliebt ist und viele Menschen belastet. Das Europaparlament sprach sich deshalb dafür aus, die Umstellung 2021 abzuschaffen - was aber ohne Konsequenzen blieb. Es gibt im Kreis der EU-Staaten keine einheitliche Position, welche Zeit künftig dauerhaft gelten soll - die Winter- oder die Sommerzeit.

Umfrage: Zeitumstellung sorgt für gesundheitliche Probleme

Fast jeder Dritte in Deutschland (32 Prozent) hatte nach einer Zeitumstellung schon einmal körperliche oder psychische Probleme. Das geht aus einer aktuellen Forsa-Umfrage hervor, die die DAK-Gesundheit am Montag in Hamburg veröffentlichte. Der Wert liegt demnach auf dem Höchststand der vergangenen zehn Jahre. 2013 hatten nur 25 Prozent der Bevölkerung über Probleme geklagt. 77 Prozent der bundesweit rund 1.000 Befragten sind der Meinung, die Zeitumstellung sei überflüssig und solle abgeschafft werden.

Symbolbild Zeitumstellung / © Jane Barlow (dpa)
Symbolbild Zeitumstellung / © Jane Barlow ( dpa )
Quelle:
KNA