Caritas zur Corona-Situation in Altenheimen

"Eine schwierige Situation"

Trotz aller Professionalität und Übung gebe es das Gefühl des Ausgeliefertseins. Der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel blickt im Interview auf die besonderen Herausforderungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen in der Krise.

Symbolbild Altenpflege (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sind Sie besorgt, angesichts der steigenden Zahlen in Pflege- und Alteneinrichtungen?

Dr. Frank Johannes Hensel (Diözesan-Caritasdirektor für das Erzbistum Köln): Ja, sicher. Die Situation macht natürlich Sorge. Sie bereitet auch Ängste um die Mitarbeitenden, um ihre Familien, aber auch um die Menschen, die sie betreuen, die ihnen ans Herz gewachsen sind. Das ist schon eine sehr, sehr angespannte Sache.

Denn letztlich gibt es bei aller Professionalität und auch Übung doch schon das Gefühl, dass man auch sehr ausgeliefert ist. Eine Entwicklung, die man letztlich nicht ganz aufhalten kann.

DOMRADIO.DE: Warum sind gerade diese Einrichtungen betroffen? Hätten nicht früher Sicherheitsmaßnahmen und Tests vorgenommen werden müssen?

Hensel: Das liegt im Grunde sehr einfach daran, dass da viele Menschen sind, die in ambulanten Bereichen und zu Hause so nicht mehr wohnen können, die eben sehr viel Pflegebedarf haben.

Das wissen wir, dass das in unseren Senioreneinrichtungen auch der Fall ist. Und darum haben wir da einfach Menschen, wo auch das Immunsystem sozusagen schon eine Altersschwäche hat, wie auch Vorerkrankungen. Das Ganze in dem hohen Alter ergibt ein Risikoprofil, das unter dem Coronavirus besonders leidet. Das ist eigentlich der Grund.

Das würde genauso dort passieren, wie auch, wenn man sich sonst wo aufhält. Nur dort nimmt man es eben besonders konzentriert wahr.

DOMRADIO.DE: Es mangelt an Schutzbekleidung und Atemschutzmasken. – Wer trägt dafür die Verantwortung? Was fordern Sie für die Zukunft von der Politik?

Hensel: Im Grunde ist es natürlich ein sehr trockener Markt im Moment. Wenn Indien und die USA auf dem Weltmarkt Schutzmasken einkaufen gehen, dann wird das unheimlich schwer, da noch etwas zu kriegen. Es wird deutlich, dass wir im Grunde für solche Notsituationen eine inländische Eigenproduktion bräuchten, die ja jetzt auch angeworfen wird. Aber zur Zeit ist es noch so, dass die professionellen Quarantäne-Settings in den Einrichtungen kaum zu gewährleisten sind – und schon gar nicht, wenn sehr viele auf einmal betroffen sind.

Das ist ein Problem, das wir aber jetzt landauf, landab in ganz vielen Ländern Europas und der Welt haben. Da kann man nicht mal eben ein Versäumnis ansprechen. Es gibt ja Vorratshaltung, aber für einen solchen Fall reicht es bei weitem nicht.

DOMRADIO.DE: Besuchsverbot – was bedeutet das jetzt für die Bewohner, gerade mit Blick auf Ostern?

Hensel: Das ist total hart. Die Menschen, die ohnehin schon viel unter Einsamkeit zu leiden haben, freuen sich auf den Besuch als Highlight des Tages. Nun sind sie nur noch weiter isoliert. Die Angehörigen stehen wirklich vor der Tür und man kann nicht zueinander. Das ist eine ganz schwierige Situation – zumal alle irgendwie ahnen, dass es zwar richtig ist, aber vielleicht am Ende doch nicht ganz reicht.

Letztlich verlangsamt sich die Ausbreitung durch diese Kontaktreduzierung, aber sie wird ja nicht deshalb gar nicht kommen, sondern man versucht, was man kann, und kämpft vielleicht auf verlorenem Posten. Und dann noch in diesem "ohne einander" mit seinen liebsten Angehörigen. Das ist eine ganz schwere Situation.

Gerade auch in der Karwoche, in den Osterfeiertagen ist es natürlich wirklich ein schweres Kreuz für viele. Sie finden eigentlich Halt und Trost in dieser großen Ostergeschichte, in den liturgischen Angeboten. Wir versuchen, es möglich zu machen, wo es geht, zum Teil in Innenhöfen, in Gärten, so dass eine Teilnahme auch an liturgischem Erleben, an Miteinander feiern, möglich wird.

Allerdings kann das natürlich nur in dieser Vereinzelung geschehen, aber letztlich hoffen wir, an den Fenstern auf den Balkonen, dass da etwas möglich wird, um wenigstens etwas unser christliches Gemeinschaftsgefühl und die Frohe Botschaft in diese Tage hineinzutragen.

DOMRADIO.DE: Wie lange können die Einrichtungen unter den aktuellen Bedingungen den Betrieb noch aufrecht erhalten? Was wäre, wenn die Krise noch drei Monate dauern würde?

Hensel: Ja, der Betrieb wird aufrecht zu erhalten sein. Es gibt allerdings natürlich Phasen, in denen sehr viele Menschen eventuell selbst betroffen sind – durch Mitarbeitende, durch eine eigene Erkrankung oder durch Quarantäne-Maßnahmen – und dann nicht mitmachen können. Es werden aber auch welche wieder kommen, nachdem sie die Erkrankung hinter sich gebracht haben. Da werden die Antikörpertests, die sich demnächst weiter verbreiten werden und auf die auch etwas zu hoffen ist, sicherlich etwas mehr Sicherheit und Einsatzmöglichkeit zurückbringen. Nämlich dann, wenn Menschen merken, dass sie schon einen Immunschutz aufbauen konnten.

Aber es gibt Phasen, in denen es personell eng werden kann. In solchen Phasen kann natürlich nicht nachgelegt werden, sondern wir müssen eventuell dann auch noch über die jetzigen Auffüllungen durch Auszubildende und durch die Mitarbeitenden aus den geschlossenen Tagespflegen hinausgehen – es werden sicher auch noch Weitere mithelfen müssen. Aber ich bin nicht bange, dass gar kein Betrieb dort mehr möglich ist. Ich glaube, dass dort Menschen weiterhin bestmöglich gepflegt werden.


Dr. Frank Johannes Hensel (Diözesan-Caritasverband Erzbistum Köln)
Quelle:
DR
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