DOMRADIO.DE: Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker will sein Amt aufgeben. Ist die Nachricht aus Paderborn eine Überraschung?
Ingo Brüggenjürgen (DOMRADIO.DE-Chefredakteur): Ehrlich gesagt, ja. Der Zeitpunkt war doch ein wenig überraschend. Es gab in letzter Zeit aus dem Umfeld des Erzbischöflichen Hauses in Paderborn schon die einen oder anderen Gerüchte von Amtsmüdigkeit. Normalerweise reichen Erzbischöfe und Bischöfe ihren Rücktritt erst mit ihrem 75. Geburtstag ein – und nicht mit dem Beginn des 75. Lebensjahres. Ich glaube aber, es ist gut, dass die Entscheidung heute Morgen veröffentlicht worden ist.
DOMRADIO.DE: Was können die Gründe von Erzbischof Becker sein, diesen Schritt jetzt eingeleitet zu haben?
Brüggenjürgen: Im Erzbistum Paderborn gibt es Spekulationen, dass die Missbrauchsaufarbeitung in der Erzdiözese noch ein langer Weg sein wird. Es wird damit gerechnet, dass der Aufruf der entsprechenden Kommission in den nächsten Wochen oder Monaten rausgeht. Dann wird natürlich auch die Amtszeit von Erzbischof Becker unter die Lupe genommen.
Wir sollten den Erzbischof bei seiner Entscheidung vielleicht beim Wort nehmen. Er hat geschrieben: "Ich spüre, dass der Zeitpunkt einer verantwortungsvollen Übergabe meines Amtes gekommen ist." Das ist doch ein gutes Signal, wenn der Erzbischof erkennt, dass er den Weg frei macht.
DOMRADIO.DE: Bis zum Amtsantritt eines neuen Bischofs wird es dann erfahrungsgemäß noch eine ganze Zeit dauern. Wie geht es denn jetzt im Erzbistum Paderborn weiter?
Brüggenjürgen: Das fragt man sich natürlich im Erzbistum Paderborn. Viele Gläubige wollen wissen, wie lange das Prozedere nun dauert. Insgesamt ist es so, dass das natürlich länger dauern wird. Denn zunächst liegt die Entscheidungsgewalt in Rom. Der Erzbischof von Paderborn hat den Heiligen Vater um seine Entpflichtung gebeten. Ich nehme an, der Nuntius ist vorher informiert worden. Insofern war das nicht völlig überraschend für die Römer. Für uns war die Nachricht aber heute in gewisser Weise überraschend.
Jetzt geht das alles seinen Weg. Der Papst oder die Kleruskongregation muss nun entscheiden. Dann wird man sehen, wie die Entscheidung ausfällt. Es kann sein, dass der Papst Erzbischof Becker bittet, noch bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres im Amt zu bleiben. Er kann aber auch jetzt bereits die nötigen Schritte für eine Entpflichtung einleiten.
Gleichzeitig gibt es in Paderborn Bemühungen um eine neue Wahlordnung. Wir wissen vom Synodalen Weg, dass dort mehr Mitsprache aller Gläubigen gewünscht ist. Die Paderborner waren sehr schnell unterwegs und haben sich mit Dompropst und Domkapitel voran um eine neue Ordnung bemüht. Die ist noch nicht fertig, wie man hört, aber da wird dran gearbeitet. Es könnte sein, dass die Gläubigen demnächst ein entsprechendes Mitspracherecht bei der Besetzung des Erzbischofstuhls haben. Aber das wird noch ein wenig dauern.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn der angebotene Amtsverzicht nun einzuschätzen?
Brüggenjürgen: Nach meiner Einschätzung ist das ein sehr positives Signal, dass der Erzbischof genau zum richtigen Zeitpunkt diesen Rücktritt einreicht. Er macht damit den Weg frei. Erzbischof Becker hat die Dinge erkannt, die jetzt notwendig sind, um das Bistum wirklich in die Zukunft zu führen.
Da gibt es nicht nur den Synodalen Weg. Da gibt es im Bistum Paderborn auch einen entsprechenden diözesanen Weg, um die bestrebten Zukunftsvisionen anzugehen. Auch die Missbraichsaufarbeitung steht an.
Da sind viele Großprojekte, die mit vielen neuen Aufgaben verbunden sind und bei denen es vielleicht neue Leute gibt, die das Ganze mit entsprechender Kraft anfangen. Insofern ist es eine gute und eine richtige Entscheidung des Paderborner Erzbischofs. Becker macht den Weg frei.
Das Interview führte Bernd Hamer.