Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat sich für die Integration Großbritanniens in Europa nach dem Brexit ausgesprochen. "Großbritannien bleibt auf eine stabile Einbettung in europäische Strukturen angewiesen", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag anlässlich seines Besuchs in London.
Dort traf sich der Repräsentant von 21,5 Millionen deutschen Protestanten mit dem Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, um über die möglichen Folgen des Brexits zu beraten. Der Erzbischof ist das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Er hatte Bedford-Strohm zuletzt anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 in Wittenberg getroffen. Nun fand der Gegenbesuch statt.
Appelle für "faire und dauerhafte Lösungen"
In einer gemeinsamen Erklärung betonten die beiden Kirchen, ihre Beziehung bleibe auch nach dem Brexit unverändert gut. "Wir wissen nicht, was kommt und wie sich die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union nach dem 29. März 2019 entwickeln werden. Aber wir wissen um die Beziehungen zwischen der Church of England und der Evangelischen Kirche in Deutschland, die sich über Jahrhunderte erstrecken - weit länger als die Europäische Union", heißt es in dem am Freitagmorgen veröffentlichten Statement. Der 29. März 2019 ist der Stichtag für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Die Kirchen appellierten auch an alle Politiker, sich um "faire und dauerhafte Lösungen" für das Miteinander von Vereinigtem Königreich und der EU zu bemühen.
May unter Druck
Der Besuch von Bedford-Strohm und der Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, fällt mitten in die politisch brisante Diskussion über das Austrittsabkommen, auf das sich Großbritannien und die EU Anfang der Woche geeinigt haben.
Bislang gibt es dafür jedoch keine politische Mehrheit im britischen Parlament. Die britische Regierungschefin Theresa May ist daher politisch stark unter Druck, mehrere ihrer Minister waren am Donnerstag zurückgetreten, nachdem das Kabinett das Austrittsabkommen gebilligt hatte. Auch Mays Rücktritt steht zur Debatte.
Strittig ist vor allem die Frage, wie mit der künftigen EU-Außengrenze zwischen dem britischen Nord-Irland und Irland verfahren wird. Der Kompromiss sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU verbleibt, bis die Nord-Irland-Frage abschließend geklärt ist. Solange bliebe die Grenze erst einmal offen, Großbritannien kann in dieser Zeit jedoch keine Freihandelsabkommen mit anderen Ländern schließen und hätte auch keinen Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der Zollunion. Die Nord-Irland-Frage ist vor allem wegen des erst 1998 beigelegten Konflikts zwischen irisch-nationalistischen Katholiken und den überwiegend protestantischen Befürwortern der Union mit Großbritannien ein Politikum. Beobachter befürchten, der Konflikt könne wieder aufbrechen.
Warnung vor Konflikten
"Alleine und ohne Europa steht Großbritannien vor erheblichen sozialen und politischen Konflikten, in denen sicher auch erneut konfessionelle Identitäten missbraucht werden und der gesellschaftliche Frieden aufs Spiel gesetzt wird", sagte Bedford-Strohm. Diese Entwicklung sei jedoch kein Naturgesetz. Sie sei durch eine Perspektive für die Zeit nach dem Brexit zu verhindern, die Großbritannien neue Formen der Integration biete.