Der Bischof von Down und Connor mit Sitz in Belfast, Noel Treanor, sieht im Brexit-Beschluss ein "Desaster" für Großbritannien und auch für die irische Insel. Der Beitritt beider Länder zum Projekt der europäischen Einigung habe damals "überhaupt erst den Rahmen und den Treibstoff für die Überwindung der bestehenden Konflikte geschaffen", sagte der Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE und neue Präsident von Justitia et Pax Europa im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
"So konnten hier in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten Frieden, Versöhnung und politischer Fortschritt einziehen."
Sorge vor Gewalt
Der Bischof hält auch neue soziale Verwerfungen für möglich. Zwar würden Unternehmer und Dienstleister im Grenzgebiet wohl pragmatische Lösungen finden. Das schwierigere Problem sei aber psychologischer Natur. "Noch vor 20 Jahren hatten wir an den Grenzen die britische Armee, befestigte Checkpoints, Polizeifahrzeuge. Sobald wir hier wieder Grenzen mit einer Art Infrastruktur bekommen, wird das leider fast sicher irgendwelche gewaltsamen Reaktionen hervorrufen", befürchtet Treanor. Und sobald solche Ziele attackiert würden, werde es zu weiteren Schutzmaßnahmen und zu einer höheren Polizeipräsenz kommen.
Der Bischof kritisierte die Vorbereitung des britischen Brexit-Referendums. Die öffentliche Meinung sei "durch Fake News manipuliert" worden. Dass ein Mitgliedstaat sich in dieser Entwicklungsphase der EU freiwillig entscheidet auszutreten, habe in der EU wohl "niemand so erwartet". Immer noch sei die Atmosphäre "stark polarisiert, geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen und Selbstdarstellung". Dies verhindere, dass die Verhandlungsparteien "überhaupt zu den Kernfragen vordringen".
Bischof kritisiert Politiker
Dabei gelte es, so Treanor, "die Quadratur des Kreises hinzubekommen". Die EU müsse ihren rechtlichen Besitzstand, den Binnenmarkt und die Zollunion schützen und sichern. Großbritannien habe sich selbst entschieden auszusteigen, scheine aber "immer noch zu glauben, dass es seinen Kuchen gleichzeitig behalten und aufessen könne", so der Bischof.
Auch die sogenannte Auffanglösung für Nordirland ["Backstop"] nannte Treanor "noch absolut unwägbar – und höchst komplex". Auf der einen Seite bestehe Premierministerin Theresa May auf der Integrität des Vereinigten Königreiches inklusive Nordirland. Auf der anderen Seite stehe das Karfreitagsabkommen von 1998, laut dem es keine harte Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland geben darf.