EKD-Synode im Rheinland blickt in die Zukunft

Mehr Experimentierfreude

Bis Freitag wollen Delegierte auf der Landessynode der evangelischen Kirche im Rheinland Positionen für die Zukunft ausloten. Präses Manfred Rekowski fordert dabei mehr Mut und das Selbstbewusstsein, eigene Wege zu gehen.

Manfred Rekowski / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Rekowski / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Welches Thema liegt Ihnen denn bei der Synode in Bad Neuenahr besonders am Herzen?

Manfred Rekowski (Präses der evangelischen Kirche im Rheinland): Das Verhältnis zum Islam wird schon das Hauptthema darstellen. Es wird um den Dialog mit Muslimen gehen. Das ist auch eine wichtige gesellschaftliche Frage. Da wollen wir noch einmal eine theologische Klärung vornehmen. Die anderen innerkirchlichen Themen klingen ein wenig nach "Hausaufgaben machen". Aber da geht es darum, dass wir eine veränderungsfähige Kirche werden wollen und müssen. Wir befinden uns ja jetzt im Jahr 501 nach der Reformation. Da spüren wir noch einmal sehr deutlich, dass die Herausforderungen groß sind. Wir müssen uns als Kirche verändern, damit wir uns besser auf die Situation einstellen können als uns dies an der einen oder anderen Stelle bisher gelungen ist.

DOMRADIO.DE: In Ihrer Vorlage zum Thema Muslime heißt es, Ziel des christlich-muslimischen Dialogs sei nicht die Mission von Muslimen, "sondern das gegenseitige Kennenlernen, das gemeinsame Handeln, das Aushalten von Differenzen sowie eine vertiefte Wahrnehmung je nach der eigenen Tradition." Das dürfte doch recht unstrittig sein oder was wollen Sie im Verhältnis zu den Muslimen verändern?

Rekowski: Es geht schon darum, theologisch zu gucken, wo wir Berührungspunkte haben. Es gibt drei abrahamitische Religionen: Judentum, Christentum und Islam. An der Stelle wollen wir verstärkt schauen, was uns verbindet. Aber wir wollen noch einmal scharf stellen, was uns trennt. Das haben wir uns vorgenommen. Das ist bei uns ein Prozess über mehrere Jahre. Wir merken, dass es in unserer Kirche durchaus unterschiedliche Erfahrungen mit Muslimen gibt. Einige haben sehr intensiven Kontakt, für andere kommt das im Alltag seltener vor. Da ist es gut, wenn sich die Kirche noch einmal positioniert, weil es auch gesellschaftlich überaus relevant ist, wie wir mit Muslimen umgehen.

DOMRADIO.DE: Als Gast wird unter anderem der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp von der FDP da sein, der gerade mit der CDU die Ladenöffnungszeiten ausweiten will. Was werden Sie ihm ins Stammbuch schreiben?

Rekowski: Zunächst freuen wir uns, dass der stellvertretende NRW-Ministerpräsident bei uns zu Gast sein wird. Wir werden natürlich auch aufmerksam zuhören, was er uns zu sagen hat. Aber unsere Synode wird sicherlich noch einmal einen Blick auf den Sonntagsschutz richten und bei einem Blick auf das sogenannte Entfesselungsgesetz deutlich machen, dass der Sonntagsschutz für uns sehr wichtig ist. Da geht es ja nicht nur um kirchliches Partikularinteresse, sondern um ein Kulturgut. Es geht darum, dass es Zeiten der Unterbrechung geben muss und soll. Im Grundgesetz steht: "Zeiten der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung". Das tut unserer Gesellschaft gut und das werden wir noch einmal stark machen und betonen.

DOMRADIO.DE: Nach den Plänen von CDU und FDP soll die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage von derzeit vier auf acht verdoppelt werden. Sie nennen das ein fatales Signal. Ein Signal wofür?

Rekowski: Es tut unserer Gesellschaft und jedem Einzelnen gut, wenn man nicht nur in dem Hamsterrad von Arbeiten und Leisten gefangen ist, sondern wenn es Unterbrechungen gibt und wenn es auch so etwas wie gemeinsame Zeit gibt. Es ist ja nicht damit gedient, dass man sagt, derjenige und diejenige haben an einem anderen Tag frei. Es ist auch gut, wenn viele in unserer Gesellschaft sich an diesem einen Tag, an dem Sonntag, treffen und miteinander begegnen. Das tut unserer Gesellschaft gut. Das ist auch grundgesetzlich verbrieft. Daran wollen wir erinnern.

DOMRADIO.DE: Soll es denn bei Appellen bleiben oder wollen sie da zur Not auch juristisch gegen vorgehen, zusammen mit Gewerkschaften und katholischer Kirche?

Rekowski: Wir sind in einem Gesetzgebungsverfahren. Da bringen wir uns aktiv mit unserer Position ein. Wir warten dann das Ergebnis ab. Aber ich denke, wir werden das Ergebnis offen prüfen und schauen, wie wir reagieren. Wir werden nicht nur einmal unsere Bedenken äußern und dann sagen, dass die Karawane danach weiterzieht. Wir erwarten, dass unsere Meinung auch im Gesetzgebungsverfahren gehört wird. Dann behalten wir uns alle Optionen offen.

DOMRADIO.DE: Sie haben es bereits angesprochen: Sie sind im Jahr 501 nach der Reform. Die vergangenen Jahre standen ganz im Zeichen des Reformationsjubiläums. Was haben Sie sich denn für die nächsten fünf Jahre vorgenommen?

Rekowski: Ich würde gerne einen Punkt nennen wollen, der uns bewegt: Wie gelingt es uns, Diversität und Vielfalt in unserer Kirche zu fördern? Wir merken, dass wir zu bestimmten Milieus einen guten Zugang haben, zu anderen einen deutlich schlechteren. Wir merken, dass wir bestimmte Generationen, wie die junge Generation, trotz aller Bemühungen gar nicht mehr so selbstverständlich erreichen. Wie wir das hinbekommen können, dass in unserer Kirche Partizipation gelingt und dass wir der Vielfalt Rechnung tragen, werden die wesentlichen Herausforderungen sein, die wir in den nächsten Jahren haben. Wir haben auch gelernt, dass wir in unserer großen Kirche nicht immer unbedingt auf einheitliche Regelungen setzen müssen, sondern Experimentierfreude fördern müssen. Wir müssen Modelle zulassen, denn Kopiervorlagen für die Zukunft der Kirche hat niemand. Deshalb müssen wir mutiger werden und dürfen dabei aber auch mal Fehler machen.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Quelle:
DR