Das Messer kam vor sieben Jahren. Damals war Christine Senteu gerade 17 geworden. Noch heute hallen die Schreie in den Gedanken der jungen Kenianerin nach. "Der Schmerz war unerträglich. Ich wurde gefesselt und meine Genitalien vor einer Gruppe alter Frauen entblößt", erzählte die Studentin einer kenianischen Zeitung.
Unter dem strengen Blick ihrer Mutter vollführten die Beschneiderinnen ihr blutiges Werk. Am Mittwoch (6. Februar) ist Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Der Begriff "Beschneidung" wäre laut UNO verharmlosend für diese "Verletzung der Menschenrechte". Vorgenommen mit einem Rasiermesser, Klingen oder Glasscherben, endet das Ritual für Tausende Mädchen in Afrika und dem Nahen Osten jedes Jahr tödlich. Wer Blutvergiftungen, Blutverlust, Fieber und Infektionen überlebt, den erwartet ein Leben im Schmerz.
Täter werden zu zehn Jahren Haft verurteilt
In Kenia hat nach UN-Angaben jede fünfte Frau die Prozedur erlitten. Jedoch erzielte der ostafrikanische Staat in den vergangenen Jahren Erfolge im Kampf gegen die Praxis. 2011 erließ die Regierung in Nairobi ein Anti-FGM-Gesetz. Beschneidern droht demnach eine Strafe von mindestens drei Jahren Haft und 2.000 US-Dollar. "Wir wissen von Fällen, in denen die Täter angeklagt und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurden", sagt Jean-Paul Murunga, Programmkoordinator der Frauenrechtsgruppe Equality Now in Nairobi.
Zudem setzte die Regierung eine eigene Beratungskommission ein sowie Staatsanwälte, die gezielt gegen FGM vorgehen. "Unsere Mädchen brauchen Seelenfrieden, damit sie sich auf ihre Bildung konzentrieren können", sagt der Regionalpolitiker David Kipkemei. Er will den Kampf gegen den tödlichen Schnitt fortsetzen - trotz Drohungen und Angriffen durch traditionelle Führer.
Die Schulferien gelten als "Beschneidungssaison"
Kenias Erfolg lenkt die Aufmerksamkeit jedoch auf ein anderes Problem: die porösen Landesgrenzen. Immer öfter bringen Kenianer ihre Mädchen für das grausame Ritual einfach in die Nachbarstaaten - etwa nach Uganda, Somalia, Tansania oder Äthiopien. "Tansanias Gesetz verbietet FGM nur bei Kindern, aber nicht bei Jugendlichen und Frauen über 18", sagt Murunga. Zudem seien einige Grenzabschnitte so entlegen, dass sich die Polizei nur selten dorthin verirre. Und wenn, dann nicht um gegen FGM, sondern gegen Viehdiebstahl vorzugehen.
Betroffen von der "grenzüberschreitenden FGM", so die Aktivisten, seien vor allem Mädchen aus der Volksgruppe der Massai. Die Halbnomaden überqueren die Grenze oft mehrmals täglich, um zu handeln, Weideland zu erreichen oder Verwandte zu besuchen. "Für Kenias Massai ist es einfach, ihre Mädchen jenseits der Grenze beschneiden zu lassen. Sie machen es einfach unter dem Vorwand, entfernte Verwandte zu besuchen", so Murunga. Meist passiert das in den Schulferien. Diese Zeit gilt seit jeher als "Beschneidungssaison".
Zwangsuntersucheungen gehen vielen zu weit
Auch in Uganda ist die Frauenverstümmelung verboten. Den Tätern drohen bis zu zehn Jahre Haft. Dennoch findet die Praxis weiterhin im Geheimen statt. Vor zwei Wochen kam es im Osten des Landes zu einer Razzia, bei der die Polizei einen FGM-Ring aushob. 19 Personen wurden verhaftet. In der Region sei die Zahl der Fälle in den vergangenen Monaten dramatisch gestiegen; 400 Mädchen soll es zuletzt getroffen haben, berichtet eine ugandische Polizeisprecherin. Sie beschrieb den Ritus als "Folter".
In Kenia sucht man nach Lösungen. Ein Lokalpolitiker in der Grenzregion bei Tansania kündigte zu Jahresbeginn Zwangsuntersuchungen an, die zeigen sollen, ob Schülerinnen beschnitten seien. So könnten die Eltern vor Gericht gebracht werden, meint George Natembeya. Doch der Vorschlag geht vielen zu weit - auch Betroffenen und Anti-FGM-Aktivisten. "Das wäre riskant, verstößt es doch gegen Richtlinien und offensichtlich gegen Grundrechte", so Irungu Houghton, Direktor von Amnesty International Kenia.
UN-Agenturen wie der Weltbevölkerungsfonds betonen in Zusammenhang mit Genitalverstümmelung: "Kultur und Tradition können niemals Gewalt gegen Menschen rechtfertigen." Strengere Gesetze und Polizeimaßnahmen seien aber nur ein kleiner Beitrag im Kampf gegen den Ritus, warnen Aktivisten. Betroffene Gemeinden wie die Massai müssten verstehen, weshalb ihr Brauchtum so großen Schaden anrichte. Erst dann werde die tödliche Praxis ein Ende finden.