Ermittler äußert sich zu Siegener Missbrauchsvorwurf

Kein Hinweis auf Straftaten 

Die Staatsanwaltschaft Siegen hat bei ihren Ermittlungen zu Missbrauchsvorwürfen im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein bislang keine nennenswerten Hinweise auf eine strafrechtliche Relevanz gefunden. Das wurde nun bekannt.

Leerer Stuhl in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Leerer Stuhl in einer Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

"Uns ist zumindest nichts bekannt geworden, dass mit körperlicher Gewalt, Drohungen oder mit Androhung von Schlägen oder sonstigem irgendwelche Leute gefügig gemacht worden sein sollen", sagte ein Sprecher am Montag dem Evangelischen Pressedienst. Es sehe aus Sicht der Staatsanwaltschaft danach aus, dass der Beschuldigte, ein ehemaliger Mitarbeiter des Kirchenkreises, seine Stellung ausgenutzt habe, um erwachsene junge Männer "irgendwie zu verführen, dass sie mit ihm homosexuelle Handlungen vornehmen".

Schutzbefohlenen sollen volljährig gewesen sein

Nach den bisherigen Ermittlungen werde davon ausgegangen, dass die mutmaßlichen Geschädigten zum Zeitpunkt der Vorfälle volljährig gewesen seien. Hier stelle sich allenfalls die Frage, ob es sich um einen Missbrauch von Schutzbefohlenen handeln könnte oder ob es strafrechtlich nicht zu erfassen sei, weil ein Erwachsener auch Nein sagen könne. Das werde noch geprüft.

Staatsanwaltschaft geht von Verjährung aus

Die bislang bekannten Taten liegen nach Angaben des Sprechers "sicherlich schon 20 Jahre zurück", so dass die Staatsanwaltschaft von Verjährung ausgehe: "Wenn nichts weiter dazu kommt, mag das moralisch eine gewisse Sache sein, aber letztlich strafrechtlich nicht zu fassen." Nach einem Bericht der "Siegener Zeitung" (Samstag) solle es zwar auch jüngere Fälle geben, "aber das entzieht sich derzeit unserer Kenntnis". Sollte sich herausstellen, dass auch Kinder oder Jugendliche zu sexuellen Handlungen bewogen worden seien, müsse der Fall natürlich anders bewertet werden. "Aber bislang haben wir diesbezüglich keine Erkenntnisse", betonte der Sprecher.

Annette Kurschus entsetzt 

Die westfälische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hatte entsetzt auf den Missbrauchsverdacht reagiert. Sie war von 2005 bis 2012 Superintendentin des Kirchenkreises Siegen. Der Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein war am 1. Januar dieses Jahres aus der Vereinigung der Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein hervorgegangen.

Zeitung: Mindestens acht mutmaßlich Betroffene

Bei den polizeilichen Vernehmungen wurden laut Staatsanwaltschaft einige wenige Personen befragt. Die "Siegener Zeitung" hatte von mindestens acht mutmaßlich Betroffenen berichtet, die Vorwürfe gegen den Beschuldigten erheben. Möglicherweise hätten einige Menschen mit der Zeitung gesprochen, die sich bislang bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft nicht gemeldet hätten, sagte der Sprecher.

Die Evangelische Kirche von Westfalen hatte auf Anfrage erklärt, sie nehme Aussagen und Berichte von Betroffenen sehr ernst und gehe den Beschuldigungen sexualisierter Gewalt konsequent nach. Nach Abschluss der behördlichen Ermittlungen werde der Verdachtsfall extern aufgeklärt und aufgearbeitet.

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd