Anfang des Jahres war meine größte Sorge noch, dass die Weihe des neuen Augsburger katholischen Bischofs mit meiner Hochzeit kollidieren könnte. Als Bayern-Korrespondent und Gatte in spe sind schließlich beides recht wichtige Termine für mich.
Ende Januar aber wurde Bertram Meier vom Papst zum neuen Oberhirten ernannt und seine Amtseinführung daraufhin für den 21. März anberaumt. Glück gehabt - meine Zukünftige und ich wollten erst am 2. Mai vor den Traualtar treten. Doch dann flog das Coronavirus heran - und in der Folge erst das öffentliche Kirchenfest aus dem Kalender und bald darauf auch mein privates.
Hochzeit ist abgesagt
Klar ist das ärgerlich. Schließlich haben meine Freundin und ich seit Monaten für unseren großen Tag den Gottesdienst und Menüfolgen geplant, Einladungskarten und Tischdekorationen gebastelt, uns außerdem schon zigmal in die Flitterwochen geträumt. Aber um es mit meiner münsterländischen Oma zu sagen: "Wat wollße machen!" Recht hat sie. Und so sehe ich nun die schönen Dinge, die Corona mir beschert.
Wenn ich mich mal ausnahmsweise vor die Tür wage, kann ich derzeit zum Beispiel all die alten Bauten meines Wohnorts praktisch allein bestaunen. Augsburg mit seinen vorchristlich-römischen Wurzeln gilt immerhin als eine der ältesten Städte Deutschlands - und wird deshalb normalerweise ständig überrannt von Touristen.
Homeoffice-Balkon voller Blumen
Außerdem arbeite ich nun den ganzen Tag auf dem Homeoffice-Balkon inmitten von Hopfenranken und Hyazinthen! Zwischen Meldung und Interview gieße ich zur Entspannung ab und zu ein Kännchen Wasser auf all die Keimlinge von Kornblume, Klatschmohn und Kamille. Zum Dank wachsen sie ähnlich fix wie die statistischen Kurven zur Virus-Verbreitung.
Tatsächlich noch schneller unterwegs sind meine Balkonbewohner aus der Fauna. Während ich am Bildschirm diese Zeilen tippe, sausen und sirren ganze Geschwader von Bienen und Schwebfliegen um mich herum, gegen deren Dauergebrumme ist jedes Großraumbüro das reinste Schweigekloster... Kurze Ansage an einen meiner Flügel-Freunde: Nein, das hier ist keine Blüte, das ist das Firefox-Zeichen auf meiner Taskleiste - der Goldlack steht einen Meter weiter rechts.
Amsel Amadeus landet im Lavendel
Und dann ist das Gezeter plötzlich groß. Amadeus ist unter lautem Piepen im Lavendel gelandet. Jener Amsel-Mann, der schon so lange auf unseren Balkon geflogen kommt, dass meine Zukünftige und ich ihn getauft haben. Passend zu Augsburg, der Mozart-Stadt. Amadeus ist auch sehr musikalisch, schon zum Aufstehen trällert er uns Ständchen. Jetzt aber, da neben seiner Futterschale ein Rechner steht, fängt Amadeus ziemlich unmelodisch das Schimpfen an.
Die tierischen Begegnungen häufen sich dieser Tage. Kein Wunder, da draußen kaum mehr Menschen unterwegs sind. Als ich letztens zu meinem Büro-Briefkasten spazierte, lief mir ein Eichhörnchen vor die Füße, machte Männchen und zunächst überhaupt keine Anstalten, den Weg freizugeben. Und beim Joggen bin ich auf einem Bürgersteig in Flussnähe beinahe in einen Biber gelaufen, der dort seelenruhig sein Picknick mit ein paar frischen Weidenzweigen aufgeschlagen hatte.
Augeschoben ist nicht aufgehoben
Schön getafelt hätten wir auch gern dieser Tage - bei der Hochzeit. "Macht ihr dann halt später", meint meine Oma; aufgeschoben sei ja nicht aufgehoben. "Dat Geschenk kriegt ihr auf jeden Fall!" Danke, Oma, aber das ist gerade gar nicht meine größte Sorge. Sondern wieder die, dass die Weihe des neuen Augsburger Bischofs mit meiner Hochzeit kollidieren könnte.