Straßensperren, an denen Uniformierte Ausweise kontrollieren und sich nach dem Ziel erkundigen - die haben in Südafrika einen üblen Beigeschmack. Unweigerlich drängt sich die Erinnerung an die rassistische Vergangenheit des Landes auf. Seit vergangener Woche sind diese Checkpoints wieder Realität. Anders als in Apartheid-Zeiten halten Polizei und Armee aber nicht bloß schwarze Bürger auf, sondern ausnahmslos alle, die es wagen, die von Präsident Cyril Ramaphosa verhängte Ausgangssperre zu verletzen.
Alkoholverkauf verboten
Raus darf nur, wer einen triftigen Grund hat: um einen Arzt aufzusuchen, Medikamente zu besorgen oder Lebensmittel einzukaufen. Und Lebensmittel heißt Lebensmittel! Denn der Verkauf von Alkohol und Tabak ist für die Dauer des zunächst dreiwöchigen "lockdowns" untersagt, auch vor Make-up und Parfum kleben im Supermarkt Absperrbänder. Zur Arbeit darf nur erscheinen, wer zu den "essential services" zählt: Ärzte, Pflegepersonal, Supermarktangestellte, Polizisten usw. Der Weg zurück nach Europa ist schwierig, nachdem der Luftraum gesperrt und die Grenzen geschlossen wurden.
"Ihr macht uns Angst"
Ein Test dürften die kommenden Tage jedenfalls für die ANC-Regierung und ihre Hingabe zur Demokratie werden. "Ihr macht uns Angst", sagte ein Johannesburger, als die Soldaten ihn fragten, warum er vor ihnen weglaufe. Als Regierungschef Ramaphosa am Vortag eine Rede vor Soldaten gehalten hatte, tat er das erstmalig in Camouflage. Nicht mehr Mut machte die Verteidigungsministerin, die anschließend erklärte: "Vorläufig sind wir ein demokratischer Rechtsstaat." Vorläufig?
Hamsterkäufe
Zugegeben, das alles klingt dramatisch. Doch die Panik, die einige prophezeit hatten, blieb bisher aus. Die Supermarktregale sind nach anfänglichen Hamsterkäufen wieder voll (neben Klopapier gab es nirgends mehr Trockenhefe zu kaufen. Eine Burin erzählte, sie wolle die nächsten 21 Tage lang backen...). Der Großteil der Bevölkerung hält sich an die Ausgangsbeschränkungen.
Transparenz und Kommunikation
Zudem kann man hoffen, dass die Ausrutscher einiger Politiker dem Eifer des Gefechts geschuldet waren. Nicht nur setzen sie auf Transparenz und Kommunikation. Sie scheinen, anders als in den Wirtschafts- und Staatskrisen der vergangenen Jahre, diesmal wirklich das Ruder in der Hand zu haben. Statt Populismus herrscht Einigkeit. Ein weiterer Hoffnungsschimmer: Auch Journalisten wurden in die "essential services" eingeschlossen, dürfen sich also weiter frei bewegen und berichten.
Homeoffice
Und genau da beginnt das persönliche Dilemma: Soll man rausgehen, die Armee im Township begleiten, "guten Journalismus" liefern - oder in der schützenden Isolation des Homeoffice auf Sparflamme weiterarbeiten? Vorläufig wird es das Homeoffice bleiben. Vorläufig... Denn die Isolation nagt bereits nach wenigen Tagen Isolation am Gemüt. Wenn man schon vor der Krise glaubte, in einem ruhigen Vorort von Kapstadt zu leben, wird man jetzt eines Besseren belehrt.
Die letzten Sommertage erlauben es, das Office im Garten aufzuschlagen. Doch da ist nichts: kein Rasenmäher-Lärm aus der Ferne, kein abendliches Training auf dem Platz des Ajax Cape Town ein paar Gärten weiter. Wenn der Laden gegenüber eine Lieferung bekommt, dann ist das schon großes Kino in der Nachbarschaft. Nur Stille. "Lockdown" nervt!
"Hoffentlich bleibt es langweilig"
Umso wichtiger scheint es jetzt, hinter dem Elektrozaun seiner "gated community" nicht den Blick für das große Ganze zu verlieren: mit einem Blick auf europäische Staaten; auf die weniger besonnene Herangehensweise anderer Regierungen in Afrika; auf versagende Gesundheitssysteme in Nachbarländern und auf die steigende Zahl der Infizierten auch hierzulande sagen wir: Hoffentlich bleibt es langweilig!