Wenn auf Pegida-Kundgebungen nur mit harscher Verurteilung reagiert werde, habe das wenig mit einer Bereitschaft zur Verständigung zu tun, sagte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker. "Es scheint mir nicht hilfreich, die Auseinandersetzung mit jenen Menschen komplett zu verweigern, die in Dresden und anderswo ihre Vorurteile, aber sicher auch manche Ängste auf die Straße tragen - so diffus diese auch sein mögen." Das könne auf Dauer das Lagerdenken fördern und die Fronten verhärten.
Bei den Pegida-Anhängern sieht Becker keine Bereitschaft zu einer Auseinandersetzung. Das spürten besonders die Journalisten in diesen Tagen. Das von Pegida benutzte Wort "Lügenpresse", das den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung der unabhängigen Medien diente, mache die Runde. Was nicht ins Weltbild passe, werde zur "Lüge" erklärt. Wozu ein so "abgeschottetes Lagerdenken" im Extremfall führe, hätten die Anschläge von Paris in dramatischer Weise gezeigt.
Unwille zur Auseinandersetzung mit Mitmenschen
Verständigung könne nur gelingen, "wenn ich die Meinung oder die Motive meines Gegenübers ernst nehme und nachzuvollziehen versuche", sagte Becker. Viele seien dazu nicht mehr bereit. Dagegen breite sich ein Unwille aus, sich mit dem Anderssein von Mitmenschen überhaupt auseinanderzusetzen und nachzuvollziehen, warum sie so denken und leben, wie sie es tun. Speziell die Medienschaffenden rief der Erzbischof auf, mit ihrer Arbeit zu einer "ehrlichen Bereitschaft zur Verständigung" in der Gesellschaft beizutragen. Sie müssten mit Fakten und Argumenten dagegenzuhalten, "wenn pauschale Vorurteile gegenüber Flüchtlingen, Muslimen oder Minderheiten laut werden".
Der Erzbischof ging auch auf das neue "Zukunftsbild für das Erzbistums Paderborn" ein. Auch dieses sei "ein Aufruf zur Kommunikation". In einer pluralen Gesellschaft wachse der Kommunikationsbedarf, damit die Gemeinschaft funktionieren könne. In dem Trend stehe auch die Kirche. Das Zukunftsbild fordere eine "ehrliche Bereitschaft zur Verständigung" und lade alle Menschen ein, sich mit ihren Begabungen "aus dem Glauben heraus zu engagieren". Das im Oktober in Kraft gesetzte Zukunftsbild beschreibt grundlegende Haltungen sowie theologische und seelsorgliche Leitmotive für die Zukunft und benennt, was in der Kirche getan, entschieden und entwickelt werden muss.
Becker äußerte sich am Donnerstag beim traditionellen Medienempfang der Erzdiözese Paderborn in Erinnerung an den Journalisten-Patron Franz von Sales (1567-1622). Die katholische Kirche begeht seinen Festtag am 24. Januar.
In der islamkritischen Bewegung Pegida werden unterdessen Risse deutlich. Der bisherige Frontmann Lutz Bachmann war am Mittwoch nach einer Welle Welle der Empörung über ein "Hitler-Foto" und ausländerfeindliche Äußerungen zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung.
Hat Pegida Zenit erreicht?
Die Demonstrationen gegen vermeintliche "Überfremdung" sollen schon am Montag in Dresden weitergehen. Bachmanns Rückzug bedeutet nach Einschätzung des Politologen Werner J. Patzelt nicht das Ende der Gruppierung. "An seine Stelle werden nun andere treten", sagte er der Deutschen Presse- Agentur. "Es wäre also Wunschdenken, zu erwarten, dass sich mit dem Rückzug nun auch Pegida auflösen würde." Andere Wissenschaftler, etwa der Berliner Protestforscher Dieter Rucht, gehen hingegen davon aus, dass die Pegida-Bewegung ihren Zenit erreicht hat und in absehbarer Zeit wieder verschwindet.
Tatsächlich werden Risse deutlich: Die Dresdner Pegida geht auf Distanz zu ihrem Leipziger Ableger Legida, den Verfassungsschützer als radikaler einstufen. "Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht mit uns abgesprochen", sagte Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel am Mittwochabend vor der Legida-Demo in Leipzig. Pegida prüfe eine Unterlassungsklage gegen Legida, dessen Organisatoren sich bislang geweigert hätten, einen Forderungskatalog zu übernehmen. "Wir wollen verhindern, dass Pegida in das rechtsextreme Spektrum abgleitet", sagte Oertel dem "Tagesspiegel."
Am Montagabend wollen in Dresden Musiker, Künstler und Bürger der Stadt ein Zeichen als Gegenprotest zu Pegida setzen. Unter dem Motto "Offen und bunt - Dresden für alle" werden vor der Frauenkirche Künstler wie Herbert Grönemeyer, Jan-Josef Liefers, Silly und Keimzeit erwartet. "Wir hoffen auf ein tausendfaches Bekenntnis für Weltoffenheit und Toleranz", sagte Mitinitiator Gerhard Ehninger.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte solches Engagement. "Was mich außerordentlich freut, ist, dass dieser Tage in etlichen deutschen Städten viele Menschen für ein weltoffenes Deutschland auf die Straßen gehen", sagte Gauck im Interview der Deutschen Presse- Agentur.