DOMRADIO.DE: Sie sind als Bischof für das katholische Entwicklungswerk Misereor immer wieder in den ärmsten Regionen der Welt unterwegs. Wo haben sich Ihnen die Folgen des Klimawandels am dramatischsten dargestellt?
Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof des Erzbistums Freiburg und Misereor-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz): Das war die allererste Reise, die ich unternehmen konnte mit Misereor. Da ging es direkt ins Amazonasgebiet hinein. Dort war gerade Brandrodung, um neue Flächen für die Wirtschaft zu ermöglichen, für den Sojaanbau.
Diese rauchenden Wälder zu sehen, war für mich eine apokalyptische Situation hinter diesen schwarzen Wolken. Dann kam die Sonne glutrot durch. Da habe ich gemerkt, da tut sich was, da verschiebt sich etwas. Das ist nicht mehr normal. Es ging mir unter die Haut. Diese Bilder sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben.
DOMRADIO.DE: Menschen verlieren dort teilweise ihre Heimat. Jetzt fordern Sie gemeinsam mit ihren evangelischen und katholischen Amtskollegen in Baden-Württemberg eine Art Asylrecht für Opfer der Klimakrise. Wie soll das funktionieren?
Burger: Ich denke, das ist nicht bloß die Aufgabe eines Landes oder einiger weniger Staaten, da ist die ganze UN gefordert. Wir im globalen Norden leben seit Jahrhunderten letztlich auf Kosten der Menschen im globalen Süden. Das hat alles riesengroße Auswirkungen.
Aufgrund unseres Lebensstils geraten die jetzt in Schwierigkeiten und da sind wir einfach gefordert und gehalten, schon vom Evangelium her, sie nicht hängen oder im Stich zu lassen, sondern einen Beitrag zu leisten, dass sie auch wieder menschenwürdig leben können, Lebensbedingungen zu haben, die ihnen weiterhelfen.
Wie das konkret angegangen werden kann? Klar, das ist eine politische Situation, die dort gelöst werden muss. Aber es steht für mich außer Frage von unserem Verständnis als Christinnen und Christen, dass wir die Leute nicht hängen lassen und konkret helfen müssen.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen die politische Situation an. Flucht und Migration sind gerade ein gesellschaftliches Reizthema. Europa macht die Außengrenzen dicht. Kommunen sagen, dass sie nicht mehr Geflüchtete aufnehmen können. Überall springen auch Rechtspopulisten erfolgreich auf dieses Problem auf. Birgt Ihre Forderung nicht auch politischen Sprengstoff?
Burger: Die Forderung birgt politischen Sprengstoff. Aber es ist nicht erst ein Problem, das wir jetzt in der Gegenwart haben, sondern es zeichnet sich schon seit etlichen Jahrzehnten ab, was da alles auf uns zukommt.
Es stellt sich die Frage, wie gehen wir generell als Weltgemeinschaft miteinander um? Wir haben im Grundgesetzartikel eins stehen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wie setzen wir das um? Haben wir trotzdem Mitmenschen erster und zweiter Klasse? Sind die, die zu uns flüchten, weniger wert? Das sind Grundsatzfragen, die wir uns als Menschheit stellen müssen.
Ich denke, auch vom Evangelium her, Matthäus 25: 'Was ihr den Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.' Wir sind hier gefordert, als Christen tätig zu werden. Wir können, wie gesagt, die Leute nicht ihrem Schicksal einfach überlassen.
Es gibt diese eine Menschheitsfamilie und da auseinander zu sortieren, wer mehr oder weniger wert ist, das möchte ich bitte nicht als Diskussion unserer Gesellschaft haben.
DOMRADIO.DE: Am Donnerstag beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. In den vergangenen Jahren ist dabei wenig Verbindliches herausgekommen. Das 1,5-Grad-Ziel halten die wenigsten ein. Bringen solche Konferenzen aus Ihrer Sicht was?
Burger: Ich denke, es ist notwendig, dass die unterschiedlichsten Player sich zusammensetzen und sich über die Lage gegenseitig informieren, auf dem Laufenden halten, sich austauschen und hoffentlich auch gemeinsame Lösungen überlegen.
An Dialog führt kein Weg dran vorbei. Nicht miteinander reden, sich abschotten, sich isolieren, wenn jeder macht, was er will, führt das noch schneller ins Chaos. Ich denke, solche Konferenzen zu nutzen, halte ich für unabdingbar.
DOMRADIO.DE: Jetzt hatte ich am Anfang den Papst angesprochen. Der musste kurzfristig seine Dubai-Reise absagen. Vermutlich sind Sie etwas enttäuscht, oder?
Burger: Was die Gesundheit nicht hergibt, kann man nicht einfordern. Aber ich denke, Papst Franziskus hat sich schon über die vergangenen Jahre immer wieder neu ins Wort gebracht.
Ich denke da noch an seine Enzyklika "Laudato Si" von 2015, wo er die Situation klar umschrieben hat. Noch einmal mit dem Schreiben "Laudate Deum", wo er ganz klar sagt, hier ist Handlungsbedarf. Wir müssen endlich mal in die Puschen kommen.
Ich denke, da wirft er auch seine ganze moralische Autorität mit in die Waagschale. Ich bin dankbar dafür, dass er das so klar ins Wort bringt. Ob er dafür unbedingt in Dubai sein muss, ist was ganz anderes.
Das Interview führte Tobias Fricke.