Katholische Nachrichtenagentur (KNA): Herr Erzbischof Burger, ein bekanntes Kirchenlied zum Jahreswechsel beginnt mit dem Vers: "Das alte Jahr vergangen ist - wir danken Dir, Herr Jesus Christ!" Können Sie am Endes dieses Jahres dabei voller Überzeugung einstimmen?
Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg): Das Lied greift im weiteren Text die vielen Sorgen, Ängste und Nöte der Menschen auf. Und endet mit der Zuversicht auf Gott. Das ist ja der Kern unseres christlichen Glaubens. Dass Christus bei allen Höhen und Tiefen mitgeht und uns die Hoffnung auf Leben schenkt.
KNA: Was ist 2022 also für ein Jahr und was macht Hoffnung für 2023?
Burger: Ich empfinde dieses Jahr als sehr durchwachsen. Vielleicht mit mehr Tiefpunkten als Höhenflügen. Aber das ist das Leben. Hoffnung macht mir, dass im Rückblick auf die Corona-Pandemie deutlich wurde: Alleine geht es nicht. Viele haben nach einer Zeit des Rückzugs oder der Isolation gespürt, wie wichtig es ist, Dinge gemeinsam anzupacken. Eine Nachbarschaft, Glaubensgemeinschaft oder staatliche Hilfen zu haben. Gleichzeitig dürfen wir nicht zulassen, dass Inflation, Energiekrise und Ukraine-Krieg zu neuen gesellschaftlichen Verwerfungen und Rissen der Solidarität führen.
KNA: Krieg und Inflation haben zuletzt Umwelt- und Klimaschutz in den Hintergrund gedrängt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass ein Umsteuern gelingt?
Burger: Wir können das als ganze Gesellschaft schaffen. Auch die katholische Kirche leistet ihren Beitrag. Wir wollen im Erzbistum möglichst bald emissionsneutral werden. Jetzt startet eine Photovoltaik-Initiative, um möglichst viele Solarzellen auf die Dächer von Gemeindehäusern, Kindergärten und Kirchen zu bringen. Wir müssen den kommenden Generationen eine intakte Welt hinterlassen, das ergibt sich aus dem christlichen Glauben.
KNA: Was will die katholische Kirche im Südwesten 2023 anpacken?
Burger: Wir als Diözese werden mit dem Bericht über die Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt im April noch mal einen großen Schritt nach vorne gehen. Dann wird offen liegen, welche Fehler passiert sind und wer für das Leid der Betroffenen die Verantwortung trägt. Daraus wollen wir für die Vorbeugung lernen.
Gleichzeitig geht die Neuorganisation des kirchlichen Lebens vor Ort voran. Ich hoffe, dass diese Prozesse bald konkreter werden. Damit die Katholikinnen und Katholiken spüren, es geht nicht um Rückzug oder Abbrüche, sondern um zukunftsfeste Rahmen für das Leben des Glaubens.
Das Interview führte Volker Hasenauer.