domradio.de: Den Altar und die Gemeinde in der St. Hedwigs Kathedrale trennt ein acht Meter breites Loch, das den Kirchenraum mit der darunter liegenden Unterkirche verbindet. Sie oder Ihre Mitbrüder müssen immer darüber hinwegsprechen, oder?
Erzbischof Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Das ist richtig. Vor uns befindet sich eine Öffnung, die in die Krypta hineingeht. Es gibt eine breite Treppe, die von dem Altar in der Krypta endet. Die Gemeinde sitzt rechts und links an der Seite. Das ist, knapp gesagt, eine schwierige pastorale Situation. Gerade für die Krypta ist die Lösung nicht optimal, da dort, wo die Gottesdienste gefeiert werden, ein permanentes Kommen und Gehen und eine große Unruhe herrscht. Es kommt auch einfach die Gemeinde, so wie sie da oben sitzt, nicht um den Altar herum.
domradio.de: Dass das so gebaut wurde, hatte aber einen Grund. Welchen denn?
Koch: Es war damals ein kühner Entwurf und ein gewaltiger Einbruch in die Architektur durch den Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert. Er wollte vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil schon sehr weit gehen, bis an die Grenze dessen, was damals möglich war. Er wollte den Altar nach vorne ziehen und die Krypta, in der auch die Grabeskirche ist, mit dem oberen Teil der Kirche durch eine große, stelenartige Verbindung vom Altar oben mit dem Tabernakel und dem Volksaltar unten zusammenführen.
domradio.de: Jetzt kann man natürlich fragen: Wenn das seit über 50 Jahren - 1963 wurde es so umgebaut - geht, kann das doch auch so bleiben, oder?
Koch: Das ist hier keine Schwarz-Weiß-Lösung. Die Frage, die hier immer anstand, lautete, ob dieses Denkmal, das zeitgeschichtlich einen hohen Wert hat und damals theologisch überzeugend war, als Monument der 1950er-Jahre beibehalten werden sollte - damals war es eingebrochen, denn es war keine ursprüngliche Situation, die wir nun erst wieder schaffen wollen. Oder sollte der Raum so wie er ist und bleibt genutzt werden und die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils, das erheblich weitergeht, ausgenutzt werden, um eine Kirche zu schaffen, die vielleicht auch für Außenstehende und die Gemeinde eine tiefe spirituelle, theologische Aussage hat.
Wir setzen in diesen Rundbau unter die Kuppel in die Mitte den Altar. Darum geht es. Die Gemeinde sammelt sich um den Altar. Und unter den Altar kommt das Taufbecken. Das Taufbecken kommt in die Krypta, außerdem ist unten die Beichtkirche geplant. Das heißt, aus der Taufgnade, die unten erfahren wird, folgt die Beichte, folgt die Erinnerung an die Heiligen und da drüber befinden sich dann der Altar und die Kuppel. So schaffen wir also die alten Dimensionen dieses Raumes, dieser Kathedrale wieder.
domradio.de: Gleichzeitig soll auch renoviert werden: Die Haustechnik und die Wärmedämmung haben es nötig, oder?
Koch: Das war ja der Anlass. Es muss gewaltig renoviert werden. Die Sicherheitsmaßnahmen, die Maßnahmen für einen behindertengerechten Aufenthalt und die Akustik sind von den Renovierungen betroffen. Das ist teilweise in einem sehr schwierigen Zustand. Kardinal Sterzinsky wollte es damals schon angehen, konnte es aber wegen der Finanzmisere nicht weiter verfolgen.
domradio.de: Das Erzbistum Berlin wird von den 60 Millionen Euro Gesamtkosten ja nur einen Teil bezahlen. Unter anderem werden auch reichere deutsche Bistümer Geld beisteuern. Dafür mussten Sie aber erst einmal Überzeugungsarbeit leisten?
Koch: Die deutschen Bischöfe waren im Jahr 2014 in Berlin und haben sich das Ganze angeschaut. Sie haben daraufhin gesagt, dass sie diesen großen Entwurf unterstützen. Die finanzstarken Bistümer haben gesagt, sie tragen das mit. Die 60 Millionen Euro fließen jedoch nicht nur in die Sanierung der Kathedrale, sondern es sind auch die beiden Lichtenberg-Häuser, die marode sind und auf jeden Fall renoviert werden müssen. Das sind Zusatzkosten, die allerdings in den 60 Millionen Euro drin sind.
domradio.de: Was wünschen Sie sich für die St. Hedwigs Kathedrale für die Zukunft?
Koch: Wir werden jetzt einen langen Weg gehen. Wir haben mit den Architekten, die den Entwurf eingereicht haben, vereinbart, dass wir nicht den ganzen Entwurf so übernehmen. Wir werden noch vieles verändern. Wir gehen jetzt Schritt für Schritt durch und werden immer nur Teilverträge abschließen. Wir werden noch viel Esprit reinsetzen müssen, weil ich in manchen Dingen mit dem Entwurf auch nicht einverstanden bin. Der Altar gehört erhöht, wir werden Bänke bekommen, es kommt ein großes Kreuz dazu.
Wir werden noch über viele Fragen nachdenken und viele Fragen auf den Weg bringen, zu denen es aus einem langen Gesprächsprozess im Bistum Anregungen gegeben hat. Es ist ja nicht so, dass ich plötzlich eine Entscheidung fälle. Ich habe mit Gremien, Verbänden, Diözesanrat und Priesterrat vielfach gesprochen. Alle haben mir geraten, den großen Weg zu gehen.
Mich bedrückt es natürlich sehr, dass es gar nicht so wenige Menschen gibt, die an der ursprünglichen Konstruktion festgehalten hätten und damit viel Herz und Geschichte verbinden. Ich habe vor dieser Einstellung hohen Respekt und hohe Achtung. Ich hoffe, dass sie diesen Weg mitgehen. Wie wir jetzt das Innere ganz konkret gestalten, welche Schritte wir gehen, um aus diesem Entwurf wirklich eine Kirche zu machen, die nicht nur eine theologische und spirituelle Überzeugung ist, sondern auch eine Heimat für die Menschen bietet, wird sich zeigen.
Das Interview führte Verena Tröster.