Viele Katholiken in Polen treten aus der Kirche aus

Erzbischof sieht "kirchenfeindliche Propaganda"

In Polen läuft eine Kampagne für den Austritt aus der katholischen Kirche. Mehr als 2.000 Katholiken kündigten ihre Mitgliedschaft und bekannten sich dazu im Internet. Nun reagiert der Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Autor/in:
Oliver Hinz
Polnische Bischöfe / © Paul Haring (KNA)
Polnische Bischöfe / © Paul Haring ( KNA )

2.031 Polinnen und Polen teilten der Internetseite licznikapostazji.pl ("Zähler der Apostasie") bis Donnerstagvormittag mit, dass sie der Kirche den Rücken gekehrt haben. Die drei linken Politiker Agata Diduszko-Zyglewska, Joanna Scheuring-Wielgus und Robert Biedron starteten die Aktion im Dezember. Weil die Kirche sich weigere, die Zahl der Austritte zu veröffentlichen, gaben sie die Parole aus: "Dann zählen wir selbst!" Und so bekennen sich auf der Website immer mehr Leute mit ihrem Namen zum Bruch mit der Institution. Der Großteil von ihnen gibt an, die Kirche dieses oder vergangenes Jahr verlassen zu haben. Manche kündigten ihre Mitgliedschaft bereits 2019 oder noch früher.

"Macht mit, wenn Ihr den Austritt vollzogen habt, weil Ihr Atheist oder nicht damit einverstanden seid, dass Euer Glaube als politisches Werkzeug zur Unterdrückung von Menschen benutzt wird", forderten die Oppositionspolitiker. Sie sprachen vom "Einspruch gegen den Angriff der katholischen Kirche in Polen auf Frauen, Kinder und LGBT+-Personen und gegen die Straffreiheit von Verbrechern in Soutanen und Hierarchen, die kirchliche Pädophilie vertuschen".

Austritt nur beim eigenen Priester

Anders als in Deutschland gibt es in Polen keine offiziellen Austrittszahlen. Der Chef des kirchlichen Statistikinstituts, Wojciech Sadon, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag in Warschau, er verfüge über keine Daten hierzu. Die Kampagne der Kirchenkritiker will er nicht kommentieren. Die Bischöfe haben laut Sadon vor, die Zahl der Austritte zu erheben und zu veröffentlichen. 2012 legte die Bischofskonferenz zum ersten und letzten Mal eine grobe, nicht ganz vollständige Übersicht für ein Jahr vor. Ihr zufolge traten 2010 in Polen 459 Katholiken aus.

Während man in Deutschland den Austritt bei der Gemeindeverwaltung oder dem Amtsgericht erklären muss und die jeweilige Konfession davon automatisch in Kenntnis gesetzt wird, kommt man in Polen nicht um einen Termin beim Priester der eigenen Pfarrei umhin. Bis 2015 war es sogar vorgeschrieben, in Begleitung von zwei Zeugen beim Pfarrer vorzusprechen. Seither reicht es, wenn man den Taufschein und eine schriftliche Austrittserklärung mitbringt.

Die Bischofskonferenz verlangt von Priestern, mit dem Antragsteller zu reden, "um dessen Austrittsgründe zu erkennen und sich dann darum zu bemühen - mit Liebe und Umsicht, nicht mit Aggression und Widerwillen -, ihn zu ermutigen, diese Absicht aufzugeben", erklärt der Krakauer Kirchenrechtler Piotr Majer. "Für jeden Priester ist das eine traurige Aufgabe, denn jeder Abgang ist ein Debakel - für den Seelsorger und auch für den, der fortgeht."

Kirchensteuer ist in Polen kein Argument

Kein Wunder, dass sich so mancher, der nichts mehr mit der Kirche am Hut hat, diesen formalen Schritt erspart. Weil es zwischen Oder und Bug keine Kirchensteuer gibt, fällt dieser Austrittsgrund ohnehin weg. Für etliche Polen ist der offizielle Bruch jetzt jedoch eine wichtige Form des Protests.

Auf die Austritte reagierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit. Darin bat er die Gläubigen "um Ihr Gebet und Fasten besonders für diejenigen, die in letzter Zeit ihren Fortgang von Gott und Kirche erklärt haben". Manche Ausgetretene beklagten, dass sie als Säuglinge "mit Gewalt" getauft worden seien, bevor sie "das Alter der Reife" erreicht hätten, wunderte sich Gadecki. "Würde man das gleiche Prinzip analog in der Schule anwenden, dann sollte die Schulbildung erst mit 18 Jahren beginnen."

Oft teilten Ausgetretene die christlichen Moralnormen nicht und empörten sich gleichzeitig über die Sünden der Menschen in der Kirche, fuhr er fort. Einige seien durch "kirchenfeindliche Propaganda" in die Irre geführt worden. Der Erzbischof räumte ein, "dass der Grund, warum einige gegangen sind, auch ein Mangel an verständlichen Zeugnissen des Glaubens unsererseits war". Die Austritte verursachten "Leid und Spaltung in vielen Familien". Für jeden gebe es einen Weg zurück in die Kirche, "aber nur durch Bekehrung".

Die Mitinitiatorin der Austrittskampagne, die Abgeordnete Scheuring-Wielgus, sagte unterdessen am Mittwoch in einem Radiointerview, sie sei weiter Mitglied der Kirche.


Quelle:
KNA
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