Erzbistum Hamburg gibt acht katholische Schulen auf

"Schmerzhafter Einschnitt"

Acht von 21 Schulen will das überschuldete Erzbistum Hamburg aufgeben. Die Einrichtungen standen schon seit längerem auf dem Prüfstand. Dennoch schockiert die Nachricht Eltern und Schüler.

Autor/in:
Michael Althaus
Blick auf die Hamburger Innenstadt. / © carol.anne (shutterstock)
Blick auf die Hamburger Innenstadt. / © carol.anne ( shutterstock )

21 Grableuchten hat eine Mutter am Donnerstag vor dem Gebäude der Schulabteilung des Erzbistums Hamburg aufgestellt - acht rote und dreizehn weiße. Was Generalvikar Ansgar Thim im Innern des Gebäudes verkündet, löst tatsächlich bei vielen Trauer und Bestürzung aus: Die katholische Kirche will acht ihrer 21 Schulen in der Hansestadt aufgeben. Fünf Schulen sollen bereits zum kommenden Schuljahr 2018/19 keine neuen Schüler mehr aufnehmen.

"Dieser tiefgreifende, schmerzhafte Einschnitt fällt uns sehr schwer", sagt Thim. Er sei jedoch zwingend notwendig, um dem Erzbistum und damit auch dem katholischen Schulsystem dauerhaft eine Zukunft zu ermöglichen. Die Schließung soll sich über mehrere Jahre erstrecken. Die betroffenen Standorte sollen schrittweise auslaufen, die Lehrer an anderen Schulen weiterbeschäftigt werden.

Suche nach anderen Trägern

An drei Schulen sollen erst zum Schuljahr 2019/20 keine neuen Schüler mehr aufgenommen werden. Zugleich würden für diese Standorte Gespräche mit der Stadt Hamburg und anderen Partnern geführt, um eine Schließung doch noch abzuwenden, erläutert der Leiter der kirchlichen Schulabteilung, Christopher Haep.

Die Schulen des Erzbistums stehen bereits seit längerem auf dem Prüfstand. Aktuell unterhält die Kirche in Hamburg 18 Grund- und Stadtteilschulen sowie drei Gymnasien mit insgesamt rund 9.000 Schülern. Künftig könnten es nur noch 6.000 sein. Trotz staatlicher Zuschüsse und Einnahmen aus Schulgeld verursacht ihr Betrieb im Bistumshaushalt ein Defizit von jährlich acht bis 13 Millionen Euro. Hinzu kommen ein Sanierungsstau in dreistelliger Millionenhöhe sowie ein Loch in der Pensionskasse für die Lehrer.

Weitreichende Strukturreform

Schon vor gut einem Jahr veranlasste die Kirche eine Strukturreform: Der katholische Schulverband mit seinen 21 Schulen wurde aufgelöst. Die Trägerschaft ging Anfang 2017 direkt auf das Erzbistum über. Die Übernahme trug maßgeblich zur aktuellen Überschuldung der Diözese von rund 79 Millionen Euro bei, die auch in anderen Bereichen, etwa bei sozialen Einrichtungen und Gebäuden, zum Sparen gezwungen ist. Die damals neu gegründete Schulabteilung soll dafür sorgen, dass die Schulen künftig wirtschaftlich rentabel betrieben werden können.

Wie prekär die Lage wirklich ist, brachte eine Wirtschaftsprüfung durch die Unternehmensberatung Ernst & Young im vergangenen Monat zum Ausdruck. Demnach könnte die Überschuldung des Erzbistums bis zum Jahr 2021 auf 353 Millionen Euro anwachsen, wenn nicht gegengesteuert wird.

Weitere Schulen gefährdet

Die Hamburger Schulen sind nicht die einzigen Sorgenkinder des Erzbistums. In Lübeck, Ludwigslust, Rostock und Schwerin liegen weitere katholische Schulen, die um ihre Existenz fürchten. Träger ist die formal selbstständige Bernostiftung, die aber vom Erzbistum beaufsichtigt wird und bislang auch finanzielle Zuschüsse erhielt.

Kürzlich wurde ein großer Teil dieser Zuschüsse gestrichen. Bereits im Juli 2017 hatte das Erzbistum angekündigt, dringend benötigte Neubauten in Lübeck und Ludwigslust nicht zu finanzieren. Wie es mit den Schulen dort weitergeht, ist völlig unklar. Das Erzbistum würde sie gerne - ähnlich wie in Hamburg - in die eigene Trägerschaft überführen, um dann Reformen anzustoßen.

"Ausgedünnte Geisterschulen"

Die Sorge um die drohende Schließung rief Anfang Januar rund 200 Schüler, Eltern und Lehrer auf den Plan. Vor dem Hamburger Mariendom demonstrierten sie für den Erhalt der Schulen in Mecklenburg und Schleswig-Holstein. Nicht auszuschließen, dass demnächst auch Hamburger Eltern ihre Transparente dort aufspannen werden.

"Es bleibt ein Gefühl von Hilflosigkeit", sagt ein Vater zu den aktuellen Entscheidungen. Er wisse nicht, wie die betroffenen Standorte als "ausgedünnte Geisterschulen" mehrere Jahre überstehen sollten. Ein anderer zeigt sich "fassungslos".

Generalvikar Thim ist sich bewusst, dass viele Diskussionen auf ihn zukommen: "Das wird ein Stück Trauerarbeit sein." Immerhin kann er für die 13 Hamburger Schulen, die erhalten bleiben, Positives verkünden: Es bestehe der "feste Wille", diese mit den notwendigen Investitionen zukunftssicher aufzustellen.

Erzbistum rechnet mit Unterstützung

Offenbar rechnet das überschuldete Erzbistum dabei auch mit finanzieller Unterstützung durch die anderen 26 deutschen Diözesen. Er hoffe, dass in der Deutschen Bischofskonferenz über eine entsprechende Regelung nachgedacht werde, Thim. Natürlich müsse jede Ortskirche zunächst ihre eigenen Hausaufgaben machen. "Aber es gibt Bistümer, die zukünftig Unterstützung brauchen werden." Es gebe bereits Gespräche dazu.

Auch Erzbischof Stefan Heße hatte in der vergangenen Woche bereits die Solidarität anderer Bischöfe gefordert: Er sehe andere, reichere Diözesen in der Pflicht, sagte er bei einer Podiumsdiskussion. Langfristig könne er sich durchaus vorstellen, über einen Finanzausgleich zwischen den 27 deutschen Bistümern nachzudenken. 

Erzbistum Hamburg

Mariendom in Hamburg / © Maria Feck (KNA)
Mariendom in Hamburg / © Maria Feck ( KNA )

Das 1995 gegründete Erzbistum Hamburg ist die jüngste und flächenmäßig größte katholische Diözese in Deutschland. Sie umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein und den Landesteil Mecklenburg auf rund 32.400 Quadratkilometern, es ist damit das flächenmäßig größte Bistum in Deutschland. Hier leben gut 402.000 Katholiken, die mit einem Anteil von rund 7 Prozent eine kleine Minderheit in der Bevölkerung sind. Nur 4 der 27 deutschen Bistümer zählen weniger Katholiken.

Quelle:
KNA