Erzbistum Köln stellt sich hinter klimastreikende Schüler

"Unsere dringlichste Krise"

Schule schwänzen für den Klimaschutz? Der Umweltbeauftragte des Erzbistums Köln, Christian Weingarten, hält das für legitim. Es gehe darum, die Dringlichkeit der Klimakrise deutlich zu machen, betont er im Interview.

Teilnehmer des globalen Klimastreiks von Fridays for Future / © Marcus Brandt (dpa)
Teilnehmer des globalen Klimastreiks von Fridays for Future / © Marcus Brandt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was halten Sie generell von den Demonstrationen während der Unterrichtszeit anstatt zum Beispiel nachmittags um 15 Uhr? Heiligt der Zweck die Mittel? 

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Dr. Christian Weingarten (Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung und Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): Ich bin ein großer Fürsprecher von den Demonstrationen auch zu Unterrichtszeiten, weil es einfach nochmal deutlicher die Dringlichkeit aufzeigt. Gerade die Dringlichkeit, die die Schüler und Schülerinnen sehen, dass wir unbedingt ins Handeln kommen müssen.

Oftmals hilft es meiner Meinung nach auch, dass wir vielleicht eine Grenze überschreiten. In dem Fall ist es eben die Grenze, dass man die Schule schwänzt.

Man muss dazu sagen, dass es nicht mehr wie vor drei oder vier Jahren jede Woche einen Schülerstreik gibt, sondern im Moment ist es fast auf diese zwei großen globalen Klimastreiks reduziert. Das finde ich vollkommen in Ordnung, wenn die Schülerinnen und Schüler das zeigen, dass das ein großes Anliegen für sie ist und sie etwas tun müssen.

Dr. Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung und Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln

"Oftmals hilft es meiner Meinung nach auch, dass wir vielleicht eine Grenze überschreiten."

DOMRADIO.DE: Ein großes Thema von "Fridays for Future" ist die Mobilitätswende. Alle Fernstraßenprojekte in Deutschland seien zu stoppen, sagen sie. Stattdessen solle die Politik in den öffentlichen Nahverkehr investieren. Würden Sie das so unterstützen? 

Dichter Verkehr auf Deutschen Autobahnen  (dpa)
Dichter Verkehr auf Deutschen Autobahnen / ( dpa )

Weingarten: Ja, weil ich finde, wir müssen unsere alten Denkmuster aufbrechen. Das ist, glaube ich, das Schwierige in Bezug auf diese Transformationsthemen. Wir dürfen nicht an alten Plänen festhalten, nur weil wir sagen, dass sie eigentlich noch nicht beendet sind.

Planungsverfahren dauern manchmal zehn oder zwanzig Jahren. Wir brauchen aber jetzt eine schnelle Wende. Das heißt, wir müssen diese Planungsverfahren eigentlich stoppen.

Wir brauchen ein Innehalten, ein Durchatmen, um zu zu überlegen, was wir wirklich für eine zukunftsorientierte Mobilität brauchen.

DOMRADIO.DE: Ein weiterer Punkt für die Demonstrationen ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Ist Ihnen das auch als Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln ein persönliches Anliegen? 

Weingarten: Definitiv. Vor allem, weil wir knapp 4.500 Gebäude mit oft großen Dächern haben, die vielfach für Photovoltaik, also für die Erzeugung von Strom durch die Sonne, geeignet sind. All das Potenzial haben wir noch nicht genutzt, aber wollen es jetzt in den nächsten Jahren verstärkt nutzen. 

Dr. Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung und Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln

"Wir brauchen ein Innehalten, ein Durchatmen, um zu zu überlegen, was wir wirklich für eine zukunftsorientierte Mobilität brauchen."

DOMRADIO.DE: "Fridays for Future" fordert auch weiterhin, dass sich Regierungen an das Pariser Klimaabkommen halten. Da geht es um das Senken der Treibhausgase in Zeiten der Energiekrise. Vielleicht gar nicht so einfach, weil wir auf die Kohle angewiesen sind?

Braunkohlekraftwerk Niederaußem / © Henning Kaiser (dpa)
Braunkohlekraftwerk Niederaußem / © Henning Kaiser ( dpa )

Weingarten: Es ist nicht einfach. Aber meine Hoffnung ist auch, dass durch die Dringlichkeit immer mehr bewusst wird, dass wir vor allen Dingen weniger Energie verbrauchen müssen. Wenn wir weniger Energie verbrauchen, heißt das, wir müssen weniger Strom durch Kohle erzeugen.

Nichtsdestotrotz finde ich die Dringlichkeit der Klimakrise viel, viel wichtiger als andere Krisen, die wir momentan haben. Auch, wenn wir die trotzdem durchleben und lösen müssen.

Aber wir müssen immer im Blick haben, wie wir die Klimakrise in den Griff bekommen. In manchen Punkten müssen wir vielleicht den Gürtel enger schnallen und Energie reduzieren, um so durch die Krise zu kommen. 

DOMRADIO.DE: Wir stehen Sie denn zu den Ansinnen und Methoden der Klimaaktivistinnen und -aktivisten der "Letzten Generation"? 

Dr. Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung und Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln

 "Ich bin ganz offen für Methoden, wenn sie komplett gewaltfrei ablaufen."

Weingarten: Ich bin ganz offen für Methoden, wenn sie komplett gewaltfrei ablaufen. Deswegen finde ich es auch in Ordnung zu sagen, hier geht etwas ganz schief. Diese Menschen nutzen eine Aktionsform, die komplett gewaltfrei ist, um darauf aufmerksam zu machen, dass Regionen und Menschen schon jetzt durch die Klimakrise stark belastet sind. Aufgrund der Dringlichkeit, die in der Klimakrise herrscht, ist das aus meiner Sichtweise völlig berechtigt. 

Mitglieder der Umwelt-Gruppe "Letzte Generation" blockieren eine Kreuzung / © Paul Zinken (dpa)
Mitglieder der Umwelt-Gruppe "Letzte Generation" blockieren eine Kreuzung / © Paul Zinken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Und wenn die Aktivistinnen und Aktivisten Rettungswege versperren oder Flughäfen blockieren, wo Rettungsflüge stattfinden müssen. 

Weingarten: Dann nicht. Das ist meiner Meinung nach aber häufig eine falsche Sichtweise. Denn, wenn man Klimacamps besucht, wo solche Trainings stattfinden, dann ist die Sicherheit von anderen Menschen immer das höchste Gut. Deshalb wird das Thema meiner Meinung nach oft verkehrt dargestellt.

Das Anliegen der Aktivisten ist nicht, Rettungswege zu verschließen - im Nachhinein hat sich auch oft herausgestellt, dass es gar nicht so war. Vielmehr ist es das Anliegen, an einer Stelle den Verkehr aufzuhalten, um auf die Krise aufmerksam zu machen und nicht, andere Menschen zu behindern.

Das wäre dann eine Gewalt, der ich nicht zustimmen würde. Aber ich weiß aus vielen Begegnungen, die ich mit Aktivistinnen und Aktivisten hatte - auch mit einem Jesuitenpater aus aus Nürnberg, der sich selbst mit angeklebt hat - dass das Wohl der Menschen natürlich im Vordergrund steht. Deswegen setzen sie sich ja auf die Straße. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

"Fridays for Future"

Anstatt freitags in die Schule oder Universität zu gehen, treibt es junge Anhänger der "Fridays for Future"-Bewegung  weltweit auf die Straße. Sie fordern von ihren jeweiligen Regierungen eine bessere Klimapolitik.

Luisa Neubauer von Fridays for Future legt für den alternativen Klimastreik Protestplakate für den Klimaschutz aus / © Kay Nietfeld (dpa)
Luisa Neubauer von Fridays for Future legt für den alternativen Klimastreik Protestplakate für den Klimaschutz aus / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
DR