DOMRADIO.DE: Machen die paar Heizungen in Kirchen überhaupt etwas aus?
Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): Wir haben im Erzbistum Köln fast 1.000 Kirchen und die sind ja in der Regel ganz große Gebäude. Wenn man große Gebäude beheizt, braucht man viel Energie. Daher reden wir wegen der Anzahl und des großen Raumvolumens in Summe von ganz vielen CO2-Emissionen durch die Beheizung von Kirchen.
DOMRADIO.DE: Kirchen sind heizungstechnisch also eine wirkliche Herausforderung. Wie sehen die Alternativen zur Gas- oder sogar Ölheizung aus?
Weingarten: Die Alternativen fangen vor allem beim Umdenken an. Deswegen haben wir das Moratorium gestartet, um nicht die gleichen Heizungen wie in den letzten 50 Jahren einzubauen. Wir möchten überlegen, wie wir Kirchen anders beheizen können.
Zum Beispiel über eine Sitzheizung. Der Gedanke dahinter ist, Wärme dort zu produzieren, wo die Menschen, die den Gottesdienst oder die Kirche besuchen, wirklich sitzen. Eine andere Möglichkeit ist über Strahlungswärme. Die Technik ist da schon sehr weit.
Es ist jetzt an uns, diese Technik in unsere Gotteshäuser zu transferieren. Dafür fragen wir uns, was an welchem Ort die beste Lösung ist, um Energie einzusparen und die Energie, die es eben noch braucht, auf erneuerbare Quellen umzustellen.
DOMRADIO.DE: Die Alternativen brauchen alle Strom. Wie sollen die Kirchen an grünen Strom kommen?
Weingarten: Um den Bedarf an Strom zu senken, geht es ja auch um Energiesparen. Durch die Sitzheizungen können wir zum Beispiel auf einem Schlag fast 80 Prozent der Energie komplett einsparen. Das ist eine große Menge.
Der Rest an Energie muss über erneuerbaren Strom kommen. Im besten Falle gibt es neben der Kirche ein großes Pfarrzentrum oder eine Kita mit einer Photovoltaikanlage. Sonntagvormittags, wenn Gottesdienst ist und das Gebäude leer ist, kann die Kirche dann den selbst produzierten Strom von nebenan nutzen, um die Kirche zu heizen.
DOMRADIO.DE: Welche Ideen haben Sie noch? Braucht es auch bauliche Veränderungen an Kirchen?
Weingarten: Mit der Frage beschäftigen wir uns natürlich auch. Wenn kleine Gebetskreise wie ein Rosenkranzgebet oder ein kleiner Familiengottesdienst stattfinden, wo nur wenige Menschen da sind, muss dann die ganze Kirche beheizt werden?
Das sind langfristige Ansätze. Dafür müssten die Kirchenheizungen modular gebaut werden. Das gibt es in Italien aber schon öfters. Dort hat man quasi kleine beheizte Bereiche, wo zehn bis 20 Personen Platz finden. So kann auch im Winter gemeinsam im Warmen gebetet werden, aber es muss nicht die komplette Kirche beheizt werden. Wir können also auch baulich neu überlegen und das Thema Heizen auf neue Wege bringen.
DOMRADIO.DE: Sie sind in ständigem Austausch mit Fachleuten aus anderen Bistümern, Landeskirchen und externen Energieexperten. Von wem können wir etwas abgucken?
Weingarten: Die Erzdiözese Freiburg ist bei dem Thema ganz weit und macht seit Jahren viele Projekte. Mi ihr arbeiten wir sehr stark zusammen. Aber auch viele Landeskirchen wie die Landeskirche Berlin-Brandenburg sind beim Thema schon sehr weit gekommen. Dort werden schon seit längerem keine Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut. Entsprechend sind da schon innovative Ideen entwickelt worden. Von diesen Pilotobjekten können wir uns etwas abschauen: Was geht eigentlich? Und was ist der Output des Ganzen?
DOMRADIO.DE: Bis spätestens 2023 sollen neue nachhaltige Vorgaben für das Beheizen von Sakralräumen im Erzbistum Köln in Kraft treten. Was machen Gemeinden, die vorher schon eine neue Heizungsanlage brauchen?
Weingarten: Nein, mit denen entwickeln wir die neuen Methoden. Wir wollen mit den Gemeinden und Unternehmen zusammenarbeiten, um die neuen Konzepte in erste Pilotobjekte in unserem Bistum zu bringen. Von diesen Pilotobjekten sollen in den nächsten Jahren die anderen Kirchengemeinden abschauen und kopieren können.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren die Gemeinden bisher auf das Moratorium?
Weingarten: Überraschenderweise waren bisher alle Rückmeldungen positiv. Das liegt wahrscheinlich auch an der Zeit. Vor einem Jahr hätte das anders ausgesehen. Aber bisher haben wir wirklich durchgehend positive und sogar aufmunternde, ermutigende Rückmeldungen bekommen. Die Stimmung ist nach dem Motto: Ja, das ist der richtige Schritt. Den müssen wir jetzt gehen, auch wenn es wehtut und manchmal etwas kälter ist. Wir müssen in diesem ganzen Thema umdenken, um bei der Umstellung auf erneuerbare Energien voranzukommen.
Der Krieg in der Ukraine und die Gaslieferungen aus Russland haben da noch mal ein Umdenken bewirkt. Neben den ökologischen Fragen sind diese Punkte eine weitere Säule der Motivation, um das Thema schnell anzugehen.
DOMRADIO.DE: Können sich denn auch Privatleute von diesen Lösungen für Kirchen etwas abgucken?
Weingarten: Von den konkreten Lösungen nicht direkt, aber vom Ansatz: das Umdenken. Auch im Privaten muss man nicht alles eins zu eins zu ersetzen, sondern wer ökologisch handeln will, sollte sich fragen, was wirklich Sinn macht oder ob es vielleicht auch ganz anders geht.
Das Interview führte Hilde Regeniter.