"Es wurde die Behauptung aufgestellt, dass im Oktober 2020 durch ein 'Drehbuch' einer Krisenkommunikationsagentur der Betroffenenbeirat instrumentalisiert werden sollte. Das ist definitiv falsch - wir haben nicht nach einem Drehbuch Dritter gehandelt", heißt es in einem am Mittwochabend vom Erzbistum veröffentlichten Schreiben von Generalvikar Guido Assmann an die Mitarbeitenden.
"Weil die Stimme des Betroffenenbeirats so wichtig ist und die Betroffenen ein berechtigtes Interesse an Transparenz haben, durften sie auf keinen Fall übergangen werden", erklärte der Verwaltungschef. Handlungsleitend sei somit "immer und ausschließlich" die Betroffenenperspektive gewesen, genauso wie es Kardinal Rainer Maria Woelki vorgegeben habe.
"Niemals Druck auf einzelne oder mehrere Teilnehmer ausgeübt"
Betroffene hätten nicht zu einem bestimmten Stimmverhalten animiert werden sollen. Es sei auch niemals Druck auf einzelne oder mehrere Teilnehmer ausgeübt worden. "Jeder hatte die faire und realistische Möglichkeit, sich frei zu äußern. Wäre das Votum des Beirats anders ausgefallen, wäre komplett neu nachgedacht worden."
"Dass die Sitzung im Oktober 2020 von Betroffenen unterschiedlich bewertet werde und "sich ein Betroffener instrumentalisiert fühlt, zeigt mir, dass wir im Umgang mit Betroffenen noch sensibler werden müssen", betont Assmann. Das Erzbistum habe eine Fach-Agentur für die Kommunikationsberatung beauftragt. Die damalige personelle Ausstattung der Hauptabteilung Medien- und Kommunikation hätte keine Kommunikationsplanung entwickeln können, so Assmann. "Genau diese benötigt man aber bei solch einer schwierigen Lage - immer unter dem Gesichtspunkt, dass die Betroffenenperspektive absolute Priorität hat." Die Agentur habe Handlungsempfehlungen abgegeben, Vorschläge gemacht und "Szenarien" entwickelt. Bei den Gesprächen mit dem Betroffenenbeirat seien Vertreter der Agentur nicht dabei gewesen.
Kritik an "Durchstechen" eines vertraulichen Papiers
"Weder wollten wir instrumentalisieren noch auch einen solchen Verdacht irgendwie nähren", betont der Generalvikar. Letzteres sei nicht gelungen. "Das Durchstechen eines vertraulichen Papiers mit den anschließenden Spekulationen und mitunter völlig falschen Interpretationen hat solche Verdächtigungen vielmehr befördert. Daraus wird in einigen Medien nun ein Riesenskandal gemacht. Ist es aber nicht."
Straftaten wie die "höchst widerlichen Taten des sexuellen Missbrauchs" würden auch weiterhin "akribisch" aufgedeckt. "Um bei der Aufklärung erfolgreich zu sein, bedarf es aber auch einer Menge an Vertrauen bei den Betroffenen." Künftig werde es "ausgeschlossen sein, dass wir aus vertraulichen Papieren, vertraulichen Mails oder aus vertraulichen Gesprächen informieren. Wer so etwas auch nur duldet, schadet dem gesamten Erzbistum, den Mitarbeitenden und nicht zuletzt denjenigen, die Betroffene sind."
Wortmeldungen der Stadtdechanten
Der "Kölner Stadt-Anzeiger" hatte über interne Unterlagen von Woelkis PR-Beratern berichtet. Demnach rieten die Fachleute dem Kardinal und seinem damaligen Generalvikar Markus Hofmann unter anderem, den Betroffenenbeirat des Erzbistums auf ihre Linie zu bringen, was einen Gutachter-Wechsel im Oktober 2020 anging. Die Berater sollen Tipps gegeben haben, wie dieses Ziel zu erreichen und die Betroffenen zu überzeugen seien. Später zogen sich mehrere Mitglieder des Betroffenenbeirats aus dem Gremium zurück. Sie seien bei der Zustimmung zu dem Gutachter-Wechsel überrumpelt worden und fühlten sich ein zweites Mal missbraucht.
Der Bericht hatte Kritik auch aus den eigenen Reihen unter anderen von ranghohen Kirchenvertretern hervorgerufen, etwa bei den Stadtdechanten Frank Heidkamp in Düsseldorf, Robert Kleine in Köln, Wolfgang Picken in Bonn und Bruno Kurth in Wuppertal.
Zwischen 2019 und 2021 hatte das Erzbistum rund 820.000 Euro für die Kommunikationsberatung des in die Vertrauenskrise geratenen Kardinals ausgegeben. Mittlerweile hat Woelki nach Aufforderung des Papstes seinen Rücktritt angeboten. Franziskus muss über dieses Gesuch noch entscheiden.