Claus sagte am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur, Betroffenenbeteiligung müsse auf Augenhöhe und in voller Transparenz erfolgen: "Stattdessen Betroffene im Kontext von institutionellen Aufarbeitungsprozessen zur Verfügungsmasse zu degradieren und neuerlich die sich beteiligenden Mitglieder eines solchen partizipativen Gremiums massivster Machtmanipulation zu eigenem Nutzen zu unterwerfen, ist anmaßend und empörend."
Der "Kölner Stadt-Anzeiger" hatte am Freitag über interne Unterlagen von Woelkis PR-Beratern berichtet. Demnach rieten die Fachleute dem Kardinal und seinem damaligen Generalvikar Markus Hofmann unter anderem, den Betroffenenbeirat des Erzbistums auf ihre Linie zu bringen, was einen angedachten Gutachter-Wechsel im Oktober 2020 anging. Die Fachleute sollen Tipps gegeben haben, wie dieses Ziel zu erreichen und die Betroffenen zu überzeugen seien.
Ende Oktober 2020 gaben das Erzbistum und der Betroffenenbeirat gemeinsam bekannt, dass der damals beauftragten Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) das Mandat für eine Missbrauchsuntersuchung entzogen werde. Das Gutachten war bereits fertig erstellt, jedoch noch nicht veröffentlicht. Es zeige methodische Mängel und sei nicht rechtssicher, so das Erzbistum, das eine neue Untersuchung bei einer anderen Kanzlei in Auftrag gab.
Recht auf Aufarbeitung
Später zogen sich mehrere Mitglieder des Betroffenenbeirats aus dem Gremium zurück. Sie seien bei der Zustimmung zu dem Gutachter-Wechsel überrumpelt worden und fühlten sich ein zweites Mal missbraucht, sagten einige.
Eines der Mitglieder war Karl Haucke, der heute im Betroffenenrat der Missbrauchsbeauftragten sitzt. Er forderte am Freitag Woelkis Rücktritt. Der Kardinal habe die Betroffenen für seine Interessen benutzt, so Haucke. Das sei mit Demütigung und Ohnmacht verbunden - ebenso wie die Missbrauchstaten selbst. Er forderte zudem weitere personelle Konsequenten auf Ebene des mittleren Managements im Erzbistum. So habe etwa die Interventionsstelle bei der Umsetzung der
PR-Strategie offenbar nur zugesehen.
Sollten sich die Recherchen des "Kölner Stadt-Anzeigers" bewahrheiten, zeige dies, wie wenig Woelki und sein Leitungsteam vom Wert der Betroffenenbeteiligung verstanden hätten, sagte Claus. Sie forderte ein Recht auf Aufarbeitung, um die unabhängige Beteiligung von Betroffenen abzusichern.
Woelkis Berater hingegen verteidigten das Vorgehen. "Die Bedürfnisse des Betroffenenbeirats nach Transparenz und Konsequenz waren stets handlungsleitend für die von uns empfohlene Strategie", teilte Kommunikationsexperte Torsten Rössing der KNA mit.
Anwalt verteidigt Strategie
Das Erzbistum sei "richtigerweise" darin bestärkt worden, "dass eine Entscheidung in der Sache nicht ohne den Betroffenenbeirat erfolgen kann und sollte, da dessen Stimme gewichtig ist und die Stimme der Betroffenen, sowie deren berechtigtes Bedürfnis nach Transparenz keineswegs übergangen werden sollte", ergänzte der Medienanwalt Carsten Brennecke:
"Hätte der Betroffenenbeirat gegen die Nichtveröffentlichung des WSW-Gutachtens gestimmt, dann wäre auch eine Neubewertung der Situation und Handlungen erfolgt."
Das Erzbistum selbst wollte sich zu den "vertraulichen Papieren" nicht äußern. Zwischen 2019 und 2021 hatte es 2,8 Millionen Euro im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung für Anwälte und PR-Fachleute ausgegeben. Davon flossen allein 820.000 Euro in die Kommunikationsberatung des in eine Vertrauenskrise geratenen Erzbischofs.
Vor rund einem Jahr schaltete sich Papst Franziskus in die Kölner Vorgänge ein. Mittlerweile hat Woelki dem Papst seinen Rücktritt angeboten, über den dieser noch nicht entschieden hat.