Auch der Kölner Weihbischof Ansgar Puff ließ vorläufig seine Ämter ruhen und hatte dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Grund war ein im März vorgelegtes Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln. Darin wird Puff Fehlverhalten im Umgang mit einem einzigen Missbrauchsfall vorgeworfen. Seine bischöflichen Aufgaben in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese soll der 65-Jährige aber wieder aufnehmen, entschied Papst Franziskus am Freitag.
Denn als früherer Personalchef habe Puff nicht die Absicht gehabt, Missbrauch zu vertuschen oder Betroffene zu ignorieren, so der Papst. Mit derselben Begründung beließ er auch den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp (54) im Amt. In Puffs Fall geht es um seine Zeit als Personalchef von Mai 2012 bis August 2013. Über einen Missbrauchsfall hatte ihm der Bruder des Betroffenen berichtet. Das mutmaßliche Opfer verweigerte aber das Gespräch darüber. Dennoch hätte Puff in der Folge nicht auf eine Unterredung mit dem beschuldigten Priester verzichten dürfen, so die Gutachter.
Teil seines Gehalts an einen Fonds für Missbrauchsbetroffene
Nach der Vorstellung der Untersuchung entschuldigte sich der Weihbischof. Und auch jetzt nach der Entscheidung des Papstes bat er in einer persönlichen Erklärung um Verzeihung. "Bei manchen Menschen habe ich durch meine Pflichtverletzung Vertrauen zerstört; ich möchte in Zukunft so arbeiten und leben, das Menschen mir wieder Vertrauen schenken können." Puff kündigte an, einen Teil seines Gehalts an einen Fonds für Missbrauchsbetroffene zu spenden.
Der Zwei-Meter-Mann mit dem grauem Bart, Brille und sanfter Stimme, der in Bonn-Bad Godesberg aufwuchs, gilt als sozial engagierter Amtsträger. Schon als junger Mann kümmerte er sich um Obdachlose in Köln und studierte eher nebenher Sozialarbeit. In dieser Zeit lebte er mit Franziskanerbrüdern zusammen. Nach einem Theologiestudium in Bonn empfing Puff 1987 die Priesterweihe. 1996 wurde er Pfarrer in Düsseldorf, wo er 2004 stellvertretender Stadtdechant wurde.
Rausgehen, ansprechbar sein
Von sich reden machte der Geistliche spätestens 2009, als er die "Missionale Düsseldorf" mitorganisierte. Elf Tage lang kamen Priester und Laien auf der Straße mit Passanten über Gott und die Welt ins Gespräch. Dieses Konzept - rausgehen, ansprechbar sein - setzte Puff ab 2013 auch als Weihbischof um. Er verantwortet den Pastoralbezirk Süd des Erzbistums mit rund 600.000 Katholiken.
Bekannt ist Puff, der mit der neuen Geistlichen Gemeinschaft "Neokatechumenaler Weg" eng verbunden ist, für seine "Outdoor-Beichten" auf den Treppenstufen des Kölner Doms. Auch als Weihbischof sorgte sich Puff besonders um Obdachlose. 2016 begleitete er wohnungslose Frauen und Männer zu einer Wallfahrt nach Rom. Zudem engagiert er sich für die Kölner Wohnungslosenseelsorge "Gubbio" und ist als Bischofsvikar für die Caritas zuständig.
Für einen kritischen Journalismus dankbar
Kardinal Woelki scheint seinem Weihbischof zugetan. Zumindest vertraute er ihm im vergangenen Jahr die Nachjustierung eines der wichtigsten Bistumsprojekte an: Puff leitet eine Arbeitsgruppe, die einen Alternativplan zur umstrittenen Pfarreien-Reform erarbeitet.
Für den Unmut über die Kölner Missbrauchsaufarbeitung zeigte Puff Verständnis. "Wir als Kölner Bistumsleitung haben im Umgang mit den Opfern sexuellen Missbrauchs in den letzten Jahrzehnten Fehler gemacht", sagte er Ende vergangenen Jahres. Andererseits nahm er Anstoß an der Art der medialen Berichterstattung. In einem heftig kritisierten Video rückte er sie sogar in die Nähe der Propagandamethoden von NS-Minister Joseph Goebbels. Er fühle sich missverstanden, erklärte der Weihbischof später und versuchte, seine Aussagen geradezurücken. "Ich bin für einen kritischen Journalismus dankbar, auch gegenüber Kirche und Bischöfen."
Dass Puff nicht selbstverständlich davon ausging, sein Amt behalten zu können, zeigt ein Interview mit domradio.de. "Selbst wenn ich nicht mehr als Bischof arbeiten könnte, ich würde genügend Möglichkeiten finden, wo ich auch mit armen Menschen seelsorglich tätig sein kann", sagte er dem Online-Portal. "Ich hoffe, dass der liebe Gott mich dann noch brauchen kann." Der Papst jedenfalls scheint das zu tun.
Stellungnahme im Wortlaut
"Am 19. März hat mich unser Erzbischof Rainer Kardinal Woelki auf meinen Wunsch hin vorläufig von meinen bischöflichen Aufgaben beurlaubt. Das Gercke Gutachten hatte am Tag zuvor festgestellt, dass ich im Jahr 2013 als Personalverantwortlicher eine „Pflichtverletzung in der Aufklärungspflicht“ begangen habe. Über eine Mittelsperson hatte ich einen Hinweis über einen sexuellen Missbrauch durch einen Priester erhalten. Der Betroffene teilte mir über diese Mittelsperson auf meine Gesprächsbitte hin mit, dass er sich für meine Fürsorge bedanke, dass er aber weder ein Gespräch in der Sache noch einen Kontakt wünsche. Nach Rücksprache mit der Justitiarin und dem Generalvikar habe ich deswegen den beschuldigten Priester, der inzwischen verstorben ist, nicht befragt. Was ich damals für richtig hielt, sehe ich heute als einen schweren Fehler an, für den ich Verantwortung übernehmen wollte und will. Darum habe ich mich, auch wenn mein Name im Gercke Gutachten nicht genannt wird, öffentlich zu dieser Pflichtverletzung bekannt und Papst Franziskus gebeten, zu entscheiden, ob ich meinen Dienst im Erzbistum Köln in Zukunft als Weihbischof oder als einfacher Priester ausüben soll. Im Juni 2021 haben die Apostolischen Visitatoren auch mit mir ein ausführliches Gespräch geführt. Nun hat Papst Franziskus entschieden, dass ich trotz meiner Pflichtverletzung meinen Dienst als Weihbischof wieder aufnehmen soll. Ich habe im Gespräch mit Kardinal Ouellet, dem Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, dazu meine Bereitschaft erklärt.
Für mich ist das kein "Weiter so"! Die letzten Monate, in denen ich in einem Altenzentrum und in der Obdachlosenseelsorge arbeiten durfte, haben mich innerlich verändert. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und mache und bitte dafür um Vergebung. Bei manchen Menschen habe ich durch meine Pflichtverletzung Vertrauen zerstört; ich möchte in Zukunft so arbeiten und leben, dass Menschen mir wieder Vertrauen schenken können.
Darum biete ich Gruppen, Verbänden, Gemeinschaften und Pfarreien auf ihren Wunsch hin ein persönliches Gespräch an, in dem ich um neues Vertrauen bitten möchte. Vor allem werde ich vor der Spendung der Firmung den Firmbewerbern, ihren Eltern und Katecheten ein solches Gespräch anbieten. Einen Teil meines Gehalts spende ich an einen Fonds, der Betroffene sexueller Gewalt unterstützt. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit wird in Zukunft die Sorge für die Menschen sein, die "unter die Räder gekommen" sind und in Armut leben. Darum werde ich in Zukunft weiterhin in der Seelsorge für Obdachlose mitarbeiten.
Als Jesus den verhassten Zöllner Matthäus in seine Nachfolge rief, und dafür heftig kritisiert wurde, sagte er: "Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten." Am Fest dieses Zöllners, am 21. September 2013, habe ich die Bischofsweihe empfangen. Am Fest des Zöllners Matthäus 2021 wurde mir die Entscheidung von Papst Franziskus mitgeteilt, dass ich meinen bischöflichen Dienst wieder aufnehmen soll. Ich halte das für keinen Zufall, sondern für einen Ruf Jesu, umzukehren und ihm neu nachzufolgen.
Köln, den 24.9.2021
Weihbischof Ansgar Puff