DOMRADIO.DE: Ganz Deutschland muss an diesem 8. März zur Arbeit. Nur nicht die Berliner. Wie kam es denn überhaupt dazu, dass Sie in Berlin jetzt einen zusätzlichen Feiertag bekommen haben?
Stefan Förner (Diplom-Theologe und Pressesprecher des Erzbistums Berlin): Wenn man - wie ich - aus Bayern nach Berlin umgezogen ist, verzichtet man auf drei bis vier Feiertage. Ich glaube, Bayern hat zwölf oder 13. In Berlin gab es nur neun und damit sind wir Schlusslicht mit anderen Stadtstaaten. In anderen Bundesländern hat man sich schon entschieden und den Reformationstag, den 31. Oktober, zum Feiertag gemacht.
Im vergangenen Jahr war auch im Zuge des Reformationsjubiläums in Berlin der Reformationstag einmalig Feiertag. Dann hat man gesagt, das könne aber so nicht bleiben. Denn insbesondere die Linkspartei hatte signalisiert, sie wolle keinen weiteren religiös motivierten und begründeten Feiertag haben. Dann fing die Debatte an: Wer kann es denn dann werden?
DOMRADIO.DE: Auch der 9. November war da im Gespräch. Warum ist es denn am Schluss der Weltfrauentag geworden?
Förner: Ich würde sagen, dass das ein Coup der Linkspartei war. Der Frauentag ist ein alter Kampftag aus dem sozialistisch-kommunistischen Hintergrund, der im Osten nach wie vor gefeiert wird.
Heute ist auch mein Geburtstag. Ich habe es vorher nicht gewusst, aber wenn man am 8. März Geburtstag hat, wird man immer darauf angesprochen: "Haha, Frauentag heute. Und wie geht es denn so?" Das ist immer noch irgendwie präsent, dass es diesen Frauentag gibt. Der ist nie so ganz ausgestorben. Dieser Aspekt, weiterhin für Gleichstellung der Frauen, für gleiche Rechte der Frauen zu kämpfen, das soll mit dem Tag auch weiter transportiert werden. Das gibt es auch weltweit.
DOMRADIO.DE: Ich höre da raus, Sie hätten also lieber den Reformationstag als neuen Feiertag gesehen?
Förner: Für mich wäre der Reformationstag die erste Wahl gewesen. Schon allein, weil dieser Tag um uns herum in Brandenburg auch Feiertag ist.
Hinter dem Feiertag steht etwas Größeres. Die evangelische Kirche hat immer argumentiert, dass er vom Ursprung evangelisch und damit christlich ist. Aber er hat auch eine größere Bedeutung. Dafür muss man sich nur etwa anschauen, was Luther für die deutsche Sprache geleistet hat.
Das ist etwas, was man auch als Nicht-Christ anerkennen und wahrnehmen kann, wo man sich auf dieses Reformationstaggedenken und "Man-muss-sich-verändern"-Gedenken besinnen kann. Das war die Überlegung, diese Brücke zu bauen, über die vielleicht auch Nicht-Christen gehen könnten. Dann hat es leider nicht funktioniert.
DOMRADIO.DE: In Umfragen hatten sich die meisten Berliner tatsächlich für einen christlichen Feiertag ausgesprochen. Was wäre denn für Sie eine Alternative gewesen?
Förner: Eine Alternative wäre der 9. November gewesen. Denn in Berlin ging der Schlagbaum in der Bornholmer Straße am 9. November 1989 auf. In Berlin wurde die Reichspogromnacht inszeniert, vorbereitet und choreografiert, wenn man das so sagen darf. In Berlin wurde auf der Wannseekonferenz der Holocaust beschlossen. Das ist ein zutiefst Berliner Gedenktag - mit der Ambivalenz der Freude über den Fall der Mauer einerseits und des Gedenkens und der Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus andererseits.
DOMRADIO.DE: Auch Erzbischof Heiner Koch findet die Wahl des Weltfrauentags als festen Feiertag nicht gut. Es hagelt sogar Schlagzeilen beim RBB. Wie sauer ist er?
Förner: Sauer ist er nicht. Das hat der RBB auch ein bisschen größer gemacht. Ich denke, er weist zurecht darauf hin, dass man immer schauen sollte, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist. Sie haben es gesagt. Ganz viele waren laut Umfragen für den Reformationstag. Dann hat aber ausgerechnet die AfD vorgeschlagen, alle Berliner abstimmen zu lassen. Dann ist es ein politisches Thema geworden, einen Vorschlag der AfD gut zu finden und zu übernehmen. Das ist natürlich für die Parteien im Moment eine schwierige Geschichte. Da hat Erzbischof Koch ein paar Anmerkungen gemacht, die Ärger hervorgerufen haben und auch ein eine Debatte ausgelöst haben, die, befürchte ich allerdings, zu spät ist.
Das Interview führte Verena Tröster.