Essener Bischof über den Umgang mit dem Islam im Ruhrgebiet

"Die Kluft ist nicht mit Kebab zu überbrücken"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lud am Mittwoch zur ersten Deutschen Islamkonferenz nach Berlin. 30 Vertreter der Muslime und des Staates sollen einen Prozess einleiten, der langfristig zur besseren Integration von Muslimen führen soll. Zu den deutschen Regionen mit den meisten Bürgern islamischer Prägung gehört das Ruhrgebiet.

 (DR)

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lud am Mittwoch zur ersten Deutschen Islamkonferenz nach Berlin. 30 Vertreter der Muslime und des Staates sollen einen Prozess einleiten, der langfristig zur besseren Integration von Muslimen führen soll. Zu den deutschen Regionen mit den meisten Bürgern islamischer Prägung gehört das Ruhrgebiet. Wie Christen und Muslime dort miteinander umgehen, schildert der Essener Bischof Felix Genn im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Ihr Bistum gehört zu einer der Regionen mit dem höchsten Anteil an Muslimen. Wo begegnet Ihnen das im Alltag?
Genn: Das ist regelmäßig ein Thema, wenn ich unsere Seelsorger treffe, ob in Duisburg, Plettenberg oder Werdohl. Muslimische Eltern bitten um Aufnahme in unsere Kindergärten. Muslimische Kinder besuchen gern den katholischen Religionsunterricht. Manche Pfarren pflegen Kontakte zu Moschee-Gemeinden. Mancherorts geschieht da viel, andernorts nichts.

Das Ruhrbistum muss Gotteshäuser aufgeben, in der Nachbarschaft entstehen Moscheen. Was bedeutet das?
Genn: Es ist für die Menschen eine beängstigende Herausforderung.
Ich spüre mehr Angst als positive Reaktionen. In Stadtteilen, in denen Christen in der Minderheit sind, wirken sie manchmal verängstigt. Ich hoffe nicht, dass daraus eine kämpferische Stimmung und primitive Fremdenfeindlichkeit entsteht. Vielmehr sollten Christen dies positiv nutzen. Sie sollten sich positionieren und fragen: Was bedeutet es für uns, Jesus zu kennen? Sie sollten mit der Tradition der Kirche überzeugt sein, dass diese die richtige und bessere Alternative ist. Ich möchte aber keine Kreuzzugsmentalität. Ob diese bei Muslimen vorherrscht, kann ich nur schwer feststellen.

Sind die Ängste berechtigt?
Genn: In einer globalisierten Welt müssen wir diese Herausforderung annehmen. Es kommen Menschen aus allen Weltteilen. Abgeschottete Kulturen gibt es nicht.

Hat die Angst mit islamistischem Terror zu tun?
Genn: Die Menschen im Ruhrgebiet sind von Natur aus integrationsfreudig. Das ist immer so gewesen. Aber nun stoßen zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander. Diese Kluft ist nicht einfach mit Kebab zu überbrücken. Mit Italienern, Spaniern, Griechen oder Polen gibt es eine Gemeinsamkeit: das Christliche.
Aber der Islam ist in seiner Sprache und seinen kulturellen Ausdrucksform fremd. Und Fremdheit macht zunächst Angst. Außerdem ist es leider so, dass sich der Islam weltweit aus der Perspektive der Gewalt darstellt. Das macht ihn aber nicht aus.

Viele Muslime tragen ihren Glauben stärker in die Öffentlichkeit als Katholiken und Protestanten - ein Vorbild?
Genn: In gewisser Weise ja. Ich möchte aber differenzieren.
Muslim zu sein, ist nicht nur eine Frage der Religion, sondern auch des kulturellen Umfeldes. Ob sie alle so religiös und fromm sind, wie es für uns aussieht, wäre im Einzelnen zu untersuchen.
Aber in jedem Fall kann das Erscheinungsbild von Muslimen eine Herausforderung für Christen sein, sich zu positionieren.

Kann eine solche Positionierung der Integration dienen?
Genn: Je klarer die Positionen sind, umso weiter kann man im Gespräch auf der Suche nach der Wahrheit kommen - aber nicht als Wischiwaschi. Wir sind nämlich in beiden Religionen Menschen, die die Wirklichkeit Gottes ernst nehmen. Was bedeutet das für die Gestaltung der Gesellschaft, so könnte man und muss man sich fragen?

Mit der Integration ist es allerdings schwierig. Von der ehemaligen Oberbürgermeisterin von Duisburg habe ich den Satz gehört, die Integration sei nicht geglückt. Das sagt eine Politikerin! Wir vom Bistum Essen bemühen uns, durch einen Integrationsbeirat das Gespräch zwischen Christen, Muslimen und Juden zu fördern. Dafür ist eigens ein Bischof, Weihbischof Franz Vorrath, verantwortlich.

Gibt es Kontakte zwischen Pfarrern und Imamen?
Genn: Das kommt auf die Situation vor Ort an. In manchen Städten läuft es gut. Gottesdienstlich ist da aber wenig.

Haben Sie selbst Kontakte zu Muslimen?
Genn: Freundschaften hätten sich in meiner Zeit als Bischof von Essen noch gar nicht entwickeln können. Doch ich habe Kontakte zu Muslimen. Da habe ich weitgehend positive Erfahrungen gemacht.

Was tut die Kirche für die Integration?
Genn: Es gibt in einzelnen Städten Islambeauftragte. Diese sind ein wichtiger Faktor. Man kann nicht gering veranschlagen, dass muslimische Kinder in unseren Kindergärten sind, in katholische Bekenntnisschulen kommen, am Religionsunterricht teilnehmen. Und man kann nicht gering veranschlagen, was in Caritas-Projekten für sozial schwächere Ausländer getan wird.

Steht dahinter auch der Wunsch zu missionieren?
Genn: Das ist eine wichtige Frage. In Kindergärten werden muslimische Eltern gefragt, ob sie wirklich wollen, dass ihre Kinder in einem katholischen Kindergarten sind. Sie wollen es ausdrücklich! Dann aber sind Erzieherinnen wie auch die Lehrer in den Schulen herausgefordert, mit großem Respekt vor der religiösen Einstellung der Menschen zu arbeiten. Es geht nicht um einen oberflächlichen Missionsbegriff. Denken Sie daran, wie der Papst in München ausdrücklich jeden Proselytismus abgelehnt hat, aber auch Entscheidendes für unsere missionarische Einstellung sagte.

Vielleicht erfahren diese Menschen durch die Einrichtungen, dass das Christliche kostbar und gut ist. Was sie damit machen, steht offen im Raum. Muslimische Kinder sollten erfahren, dass der Westen nicht nur aus Leuten besteht, die gegen islamische Völker Krieg führen. Sie sollten erleben, dass die Deutschen ihnen nicht feindlich gesinnt sind. Denn wenn diese wirklich Christen sind, kennen sie den Begriff der Feindschaft nicht.

Interview: Viola van Melis (KNA)