Ab sofort nimmt die Essener Tafel wieder Ausländer als Neukunden auf. "Jeder Mensch, der Hartz IV, Wohngeld oder Grundsicherung bezieht, darf zur Essener Tafel kommen", sagte Jörg Sartor, Vorsitzender des Trägervereins, am Mittwoch in Essen nach einer Sitzung mit den elf Außenstellen.
"Eine vorübergehende Maßnahme ist aufgehoben worden, weil die Waage wieder im Gleichgewicht ist", erläuterte er mit Blick auf die Zusammensetzung der Kunden der ehrenamtlich geführten Lebensmittelausgabestelle. Rund 55 Prozent der Bedürftigen hätten derzeit einen deutschen Pass.
Berechtigte und Bevorzugte
Sollte es künftig wieder zu Engpässen kommen, habe sich die Tafel nun mit neuen Aufnahmeregelungen gewappnet, sagte Sartor. Bei großem Andrang würden dann Alleinerziehende und Familien mit kleinen Kindern bevorzugt. Bedürftige über 60 Jahren und Schwerbehinderte seien von der einjährigen Laufzeit der Berechtigungskarte ausgenommen.
Alleinstehende unter 30 Jahren erhielten weiterhin eine Berechtigungskarte für drei Monate.
Bundesweiten Debatte über Armut
Die Entscheidung der Essener Tafel, Ausländer vorübergehend als Neukunden auszuschließen, hatte zu einer bundesweiten Debatte über Armut geführt. Als Grund nannte die Ehrenamtlichen-Organisation den hohen Ausländer-Anteil unter den Bedürftigen. Alte Leute und Mütter mit Kindern fühlten sich durch junge ausländische Männer verdrängt und kämen seltener. Sartor hatte den Beschluss mehrfach verteidigt, auch gegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Trotz heftiger Kritik in den vergangenen Woche hält Sartor an seiner Entscheidung fest: Er würde genauso entscheiden, wenn er wieder vor der gleichen Situation stünde, sagte er am Mittwoch. Der Vorstand habe mit seinem Entschluss zwar nie beabsichtigt eine Diskussion anzustoßen. Aber durch die Debatte habe sich das Bewusstsein für Bedürftigkeit bei den Politikern verstärkt. "Im Nachgang ist es eine sehr positive Geschichte für Deutschland, nicht für die Essener Tafel."
Neuer Beschluss enttäuscht Hoffnungen
Mit dem neuen Beschluss des Vorstands enttäuscht Sartor die Hoffnungen von Gerlinde, die am Mittwochnachmittag über eine halbe Stunde in der Schlange vor der Essener Tafel auf Lebensmittelspenden gewartet hatte.
Die 63-Jährige hoffte kurz vor der Bekanntgabe der neuen Aufnahmeregelung noch darauf, dass die verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie Senioren, Familien und Alleinstehende künftig getrennt bedient würden. Sie bezweifelt, dass Rentnerinnen und Rentner in Zukunft wieder häufiger zur Essener Tafel kämen.
Tumulte und Drängeleien
Noch während des Wartens musste Gerlinde wieder einen drängelnden Mann an seinen Platz in der Schlange zurückweisen. "Manche meinen, sie müssen sich vormogeln, aber ich lasse mir das nicht gefallen", sagte Gerlinde am Mittwoch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Diese kleine Drängelei sei vergleichsweise harmlos gewesen, sagt Gabi, die ebenfalls auf Lebensmittel wartete. Bis Ende vergangenen Jahres sei regelmäßig geschubst, gedrängelt und gemeckert worden, schilderte die 53-Jährige. Als Maßnahme hatte die Essener Tafel im Dezember den Aufnahmestopp für Ausländer als Neukunden verhängt. Die Ehrenamtlichen-Organisation machte den hohen Ausländer-Anteil unter den Bedürftigen für die Tumulte verantwortlich. Alte Leute und Mütter mit Kindern hätten sich durch junge ausländische Männer verdrängt gefühlt und seien seltener gekommen.