Caritas-Präsident zur Debatte um Tafeln

Politik muss Armut bekämpfen

In der Debatte um die Essener Tafel fordert Caritas-Präsident Peter Neher einen entschiedeneren Kampf der Politik gegen Armut. Er stützt darüber hinaus das Engagement der Ehrenamtlichen in Essen, kritisiert jedoch ihren Lösungsansatz.

Kunden der Essener Tafel stehen mit ihren Einkaufstrolleys vor der Ausgabestelle / © Roland Weihrauch (dpa)
Kunden der Essener Tafel stehen mit ihren Einkaufstrolleys vor der Ausgabestelle / © Roland Weihrauch ( dpa )

"Statt auf die Tafeln zu setzen, muss die Politik dafür Sorge tragen, dass Armut entschieden bekämpft und letztlich vermieden wird", sagte er am Samstag der "Badischen Zeitung" in Freiburg.

Der Chef des Deutschen Caritasverbandes forderte eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um mindestens 60 Euro im Monat.

In Deutschland müsse niemand verhungern. Es gehe aber auch darum, den Armen ein menschenwürdiges Leben und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. "Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, auch mal ins Kino zu gehen oder an Veranstaltungen teilzunehmen."

"Missbrauch von Ehrenamtlichen"

"Tafeln sind nicht dazu da, politische Probleme zu bewältigen. Sie sind entstanden, weil Ehrenamtliche keine Lebensmittel vergammeln lassen wollten", erläuterte der Prälat.

Es könne nicht angehen, dass "staatliche Stellen auf Tafeln verweisen, wenn Menschen Entlastung brauchen. So missbraucht man die Ehrenamtlichen. Es ist die Aufgabe des Sozialstaats, den Grundbedarf eines Menschen abzudecken."

Kein neues Problem

Der Caritas-Präsident widersprach der Einschätzung, es handele sich beim Konflikt um die Tafeln um einen Verteilungskampf zwischen Bedürftigen. Dieser Begriff sei sehr schädlich, vertiefe Gräben und verstärke Vorurteile.

Durch die Flüchtlinge seien Probleme wie Armut oder Wohnungsnot deutlicher sichtbar geworden. Es habe das Problem aber schon weit früher gegeben.

Alternative Lösungen

Neher wandte sich gegen Kritik am Engagement der Ehrenamtlichen in Essen. "Dass sie teilweise in die rechte Ecke gestellt werden, ist ein Unding. Vielmehr brauchen sie Unterstützung."

Die von ihnen befolgte Lösung sei allerdings nicht geeignet. "Bei anderen Tafeln begegnet man solchen oder ähnlichen Problemen, indem man für eine bestimmte Zielgruppe, zum Beispiel für Familien, Einkaufstage festlegt. Bei den Berliner Tafeln gibt es dafür ein Losverfahren."

Tafeln in Deutschland

Die bundesweit agierenden Tafeln haben sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der größten sozialen Bewegungen in Deutschland entwickelt. Waren es 2002 noch gut 300, gibt es heute bundesweit etwa 900 Tafeln mit rund 2.100 Tafel-Läden und Ausgabestellen. Bei ihnen engagieren sich circa 60.000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Alle zusammen versorgen sie mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln, die sie als Spenden im Handel und bei Herstellern gesammelt haben.

Helfer sortieren  Salat bei der Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Helfer sortieren Salat bei der Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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