Laut einer aktuellen INSA-Umfrage für die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) halten 52,5 Prozent der Deutschen die erste Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Essener Tafel nicht für "berechtigt". 37,3 Prozent dagegen geben Merkel Recht. Zudem finden es 57,6 Prozent der Befragten richtig, dass die "Tafel entschieden hat, vorerst nur noch Inhaber eines deutschen Passes aufzunehmen". 27,2 Prozent finden den Entschluss falsch.
Die Kanzlerin hatte den Entschluss der Tafel, vorerst keine neuen Bedarfskarten an Ausländer auszugeben, zunächst mit den Worten kommentiert: "Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut, aber es zeigt auch den Druck, den es gibt." Später hatte sie den Mitarbeitern Respekt gezollt und deren Verantwortung für die eigene Ausgabepraxis betont. Auf die Frage, ob Merkel die Essener Tafel besuchen wolle, habe die Bundesregierung der Zeitung mitgeteilt, dass es "keine Pläne" für einen Besuch gebe: "Über derartige Planungen können wir im Moment nicht berichten."
Steinmeier warnt vor "Konkurrenz der Bedürftigen"
In der Debatte hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegen eine "Konkurrenz der Bedürftigen" gewandt. Er warb in der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch) für eine differenzierte Betrachtung. "Es ist nicht alles auf die Höhe von staatlichen Transferzahlungen zurückzuführen", sagte Steinmeier zu Vorwürfen, die Sozialpolitik trage Verantwortung für wachsende Armut und den Andrang bei Tafeln.
"Klar ist aber auch: Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass es nicht zu einer Konkurrenz der Bedürftigen kommt, die sich dann auch noch aggressiv äußert."
Die Politik ist gefordert
In der Debatte um den umstrittenen Beschluss der Essener Tafel gab es in den letzten Tagen immer mehr Rufe nach einem stärkeren staatlichen Kampf gegen Armut. Ein Bündnis von rund 30 zivilgesellschaftlichen Organisationen forderte am Dienstag in Berlin höhere Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger und Bezieher von Sozialhilfe. Täglich 4,77 Euro für Essen und antialkoholische Getränke reichten bei weitem nicht. Auch die Leistungen für Flüchtlinge seien nicht existenzsichernd.
Der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, forderte eine rasche Entlastung der Tafeln durch die Bundesregierung. "Die letzten Wochen haben gezeigt, wohin es führt, wenn der Staat ehrenamtliche Hilfsorganisationen wie die Tafeln mit Aufgaben alleine lässt, die größer sind als sie selbst."
Ein runer Tisch soll helfen
Viele Experten nahmen die Mitarbeiter der Essener Tafel vor Rassismus-Vorwürfen in Schutz und lobten den Versuch, jetzt mit einem Runden Tisch nach einer Alternativlösung zu suchen. Denkbar seien als vorrübergehende Lösungen etwa Losverfahren oder das Bevorzugen besonders Bedürftiger. Das Grundproblem sei die Überlastung der Tafeln.
Caritas-Präsident Peter Neher forderte "statt kluger Ratschläge" konkrete Hilfe für die Verantwortlichen beim schwierigen Versuch, die Situation zu verbessern, "ohne zwischen einheimischen und ausländischen Bedürftigen zu unterscheiden".