Ethiker warnen vor Genetik-Screening für werdende Eltern

Gefahr der "Entsolidarisierung"

Anhand von Genetik-Screenings können Paare schon vor der Zeugung herausfinden, ob ein Krankheitsrisiko für den Nachwuchs besteht. Aus Sicht von Ethikern hat das eher negative Auswirkungen auf Familienplanung und Gesellschaft.

Autor/in:
Johannes Peter Senk
Ultraschallbild eines Ungeborenen auf einem Monitor während einer Ultraschalluntersuchung in einer Praxis für Pränataldiagnostik / ©  Julia Steinbrecht (KNA)
Ultraschallbild eines Ungeborenen auf einem Monitor während einer Ultraschalluntersuchung in einer Praxis für Pränataldiagnostik / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die sogenannten Carrier-Screenings, bei denen die Erbanlagen beider Elternteile auf mögliche Krankheitsrisiken für Kinder untersucht werden, schafften zusätzliche Verunsicherung und "falsche Sicherheit", erklärt der Schweizer Moraltheologe Markus Zimmermann. "Denn viele genetische Defekte bei Embryonen beruhen auf Spontanmutationen, die sich nicht vorhersagen lassen."

Zimmermann äußerte sich zu einer nun veröffentlichten Studie australischer Wissenschaftler. Diese hatten in einem
Forschungsprojekt über 9.000 Paare, die eine Schwangerschaft planten oder sich bereits in der Frühphase der Schwangerschaft (bis zehnte Woche) befanden, einem Carrier-Screening unterzogen. 

Genetiktests beeinflussen Familienplanung 

Bei 175 dieser Paare sei eine bislang unbekannte genetische Vorbelastung festgestellt worden. Der Großteil habe daraufhin seine Familienplanung verändert. Bei 45 Paaren, von denen die Frau bereits schwanger war, ließen 29 eine genetische Untersuchung am Fötus durchführen; vier davon entschieden sich nach einem auffälligen Ergebnis für eine Abtreibung.

Die Ergebnisse solcher Untersuchungen böten für die betroffenen Paare aber nur sehr vage Ergebnisse, mahnt der Ethiker der Universität Fribourg. So bestehe die Gefahr einer falsch-positiven Wahrnehmung. "Das heißt, dass als vorbelastet identifizierte Paare gleichwohl Kinder bekommen, die dann aber nicht betroffen sind." Auch sei bei einer Vorbelastung unklar, wie stark ein Kind später betroffen sei.

"Fatales Signal" zur politischen Entwicklung

Der österreichische Bioethiker Giovanni Rubeis warnt zudem vor einer politischen Instrumentalisierung der Untersuchung. "Derartige Screenings könnten auch darauf abzielen, die Existenz von Menschen mit bestimmten Behinderungen zu verhindern, somit also zu eugenischen Zwecken eingesetzt werden." Einige Forschungsinstitute und private Anbieter böten entsprechende Tests auch schon in Deutschland an, teilweise mit hohen Kosten für Eltern. Ein routinemäßiges Angebot lehnt der Wissenschaftler entschieden ab. "Gerade in Zeiten der gesellschaftlichen Entsolidarisierung und des Wiederaufkommens des Faschismus als politische Kraft wäre das ein fatales Signal."

Quelle:
KNA