Es gebe noch viel Orientierungsbedarf – auch um Risiken abzuschätzen, meinte der Sozialethiker auf der Herbsttagung des Ethikrates.
Neue Techniken, die etwa präzise Eingriffe in das Erbgut ermöglichen, seien noch nicht im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen, sagte der evangelische Sozialethiker und Vorsitzender des Deutschen Ethikrates am Donnerstag auf der Herbsttagung des Ethikrates zum Thema "Gene-Drive – Vererbungsturbo in Medizin und Landwirtschaft" in Frankfurt am Main.
Genetische Veränderung von Organismen
"Gene-Drive" ist eine Biotechnologie, mit der Organismen genetisch verändert werden können. Ziel ist es dabei, gentechnische Veränderungen "schnell in freier Wildbahn zu verbreiten und so den Genpool von Populationen zu beeinflussen", so der Ethikrat.
Forscher erhoffen sich dadurch mittelfristig große Fortschritte bei der Bekämpfung von Krankheiten, die etwa durch Moskitos übertragen werden wie Malaria.
Gene-Drive-Technologie keine Wunderwaffe
Die Technik ist umstritten. Kritiker fürchten, dass damit ganze Arten ausgerottet werden könnten. Forscher weisen dies zurück. "In Laborpopulationen ist das Funktionieren der Gene-Drive-Technologie nachgewiesen", erklärte der Genetiker Nikolai Windbichler (London/Wien) auf der Tagung im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum.
Es handele sich allerdings um keine "Wunderwaffe", sondern um eine Technologie, die zusammen mit anderen Anwendungen kombiniert werden müsse, sagte Windbichler. Im Falle von Malaria wären das etwa Bettnetze gegen Moskitos und künftig auch Impfungen.
Praktischer Einsatz in rund zehn Jahren
Mit einem Einsatz in der Praxis wird nach vorsichtigen Schätzungen in rund zehn Jahren gerechnet. Neue Techniken wie die sogenannte Gen-Schere CRISPR-Cas9 haben der Anwendung von Gene-Drives den Weg geebnet.
Auch in der Landwirtschaft verspricht man sich durch Gene-Drive-Systeme einen Nutzen, etwa in der Bekämpfung von Schädlingen.
Hohe Wirkmächtigkeit im Ökosystem
Bei der Anwendung gebe es allerdings auch "Gründe für Besorgnis", betonte Arnim von Gleich, Bremer Professor für Technikgestaltung und Technologieentwicklung. Als Beispiele nannte er die "hohe Eingriffstiefe und Wirkmächtigkeit" der neuen Technologie im Ökosystem.
Seine Maxime sei: "Handle so, dass du noch korrigierend eingreifen kannst, wenn etwas schiefgeht."