Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für ein drittes Geschlecht beim Eintrag ins Geburtenregister ist aus Sicht des Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, "sehr grundsätzlich ein riesiger Schritt". Es gehe um "elementare Schicksalsfragen", sagte er im Interview des "Spiegel" (Samstag). Das Verfassungsgericht habe "die binäre Fixierung unseres Alltags aufgebrochen". Dagegen fänden sich "im Kern unserer Existenz" auch Grauzonen. "Der Karlsruher Beschluss berücksichtigt auch die Verletzlichkeit, die sich aus den Uneindeutigkeiten menschlicher Existenz speist."
"Verrücktheit unserer Gegenwart"
Nach den Worten Dabrocks weisen die Verfassungsrichter auf eine "grundlegende Verrücktheit unserer Gegenwart" hin: Auf der einen Seite werde die Welt wegen des technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts komplexer. "Orientierung wird schwieriger." Auf der anderen Seite "stülpen wir der Wirklichkeit oft schlichte, verkürzte Erklärungen über". Ein Erfolg populistischer Politiker und Parteien seien eine Folge davon. "Gegen diesen Trend der einfachen Lösungen spricht das Gericht ein klares Wort: nein!"
Die Politik sollte die jüngste Entscheidung als einen Beginn einer grundsätzlichen Debatte begreifen, sagte Dabrock: "Welche geschlechtsabhängigen Benachteiligungen, welche Rollenbilder existieren in unserer Gesellschaft? Wie lassen sie sich aufweichen? Aber auch: Wie können wir uns die Entscheidung kulturell aneignen?" Nötig sei nun Geduld, weil es sich um "jahrtausendealte kulturelle Muster" handele.