EU-Kommission legt auch Vorschläge zu Asyl und Migration vor

Geschlossene Grenzen sollen die Ausnahme bleiben

Im Streit um eine Reisefreiheit für tunesische Flüchtlinge hat sich jetzt die EU-Kommission eingeschaltet: Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen solle "nur in sehr extremen Umständen" kommen, erklärte EU-Innenministerin Malmström. Italien hatte 25.000 nordafrikanischen Flüchtlingen Visa für den Schengen-Raum in Aussicht gestellt.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Frankreich hatte deshalb die Schließung der Grenze zu Italien erwogen und mit der Aussetzung des Schengen-Abkommens gedroht. Als "schallende Ohrfeige" für Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi wertete der CSU-Gruppenchef im Europaparlament, Markus Weber, denn auch den Kommissionsvorschlag. Europaabgeordneter fast aller Fraktionen machten klar, dass sie die Überwachung der Schengen-Regeln auf europäischer Ebene gutheißen könnten. Allerdings bemängelten die Grünen, die EU-Kommission habe nicht präzisiert, welche Umstände denn eine Aussetzung des Schengen-Raums rechtfertigen sollten.



Caritas Europa gegen neue Grenzkontrollen

Europaparlamentarier forderten übergreifend, die Grenzen sollten offen bleiben. Auch Caritas Europa, der Dachverband der katholischen Wohlfahrtsorganisationen, äußerte sich in diesem Sinne.



Ziel der EU-Kommission ist es, die Handhabung des Schengen-Abkommens den Einzelstaaten abzunehmen. Sie will eine zeitweise Wiedereinführung der Kontrollen künftig auf europäischer Ebene entscheiden lassen. Bislang können unter bestimmten Voraussetzungen - etwa bei einer Bedrohung der inneren Sicherheit - die einzelnen Staaten selbst entsprechende Anordnungen treffen. So waren bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 beispielsweise Grenzkontrollen wiedereingeführt worden.



Am 12. Mai werden EU-Innenminister beraten

Politische Leitlinien für genaue Gesetzesregelungen sollen die EU-Staats- und Regierungschefs im Juni vorgeben. Bereits am 12. Mai werden die EU-Innenminister erstmals die Ideen der EU-Kommission diskutieren. Abzusehen ist schon jetzt, dass Kritik kommen wird. Die Entscheidung über Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums an eine übergeordnete Instanz abzugeben, das könnte ihnen als nicht hinnehmbare Preisgabe an Souveränität erscheinen.



Die EU-Kommission kündigte am Mittwoch eine Fülle weiterer Initiativen an, um den Umgang mit Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern zu regeln. Die Krise in Nordafrika ist dabei nur einer der Faktoren. EU-Kommissarin Cecilia Malmström erinnerte daran, dass rund 650.000 Menschen wegen des dortigen Konflikts Libyen verlassen hätten. Nur 3.000 hätten in der EU Asyl gesucht. Die Hauptlast der Flüchtlinge trügen die Nachbarländer Tunesien und Ägypten.



Verhandlungen über legale Einreisemöglichkeiten geplant

Daneben will die EU mit den Ländern südlich des Mittelmeers auch über sogenannte Mobilitätspartnerschaften verhandeln. Damit sollten etwa legale Einreisemöglichkeiten in die EU geschaffen werden, aber auch Visaerleichterungen zum Beispiel für Geschäftsreisende und Studierende. Das soll gekoppelt werden an Rückübernahmeabkommen, mit denen die EU Einwanderer ohne gültige Papiere auch wieder in die Herkunftsländer zurückschicken kann.



EU-Kommissarin Malmström appellierte bei der Vorstellung der Initiativen an die EU-Staaten, wie geplant die Harmonisierung des EU-Asylrechts bis 2012 abzuschließen. Mit neuen Vorschlägen will die EU-Kommission Anfang Juni die festgefahrenen Verhandlungen der Mitgliedsstaaten über das gemeinsame Asylsystem vorantreiben. Daneben plädiert sie dafür, der EU-Grenzschutzagentur Frontex mehr Kompetenzen zu geben und den Schutz der EU-Außengrenzen zu verstärken.



Aussetzen von Dublin-II?

Bei einem der wichtigsten Streitpunkte beharrt Malmström aber auf ihrem Standpunkt: Wenn ein Land einem außergewöhnlichen Druck an Asylbewerbern ausgesetzt ist, soll als letzter Ausweg die sogenannte Dublin-II-Verordnung ausgesetzt werden können. Sie sieht vor, dass Asylbewerber dort ihren Antrag stellen müssen, wo sie zuerst EU-Gebiet erreichen. Deutschland und einige andere EU-Staaten wehren sich vehement dagegen, diese Regel aufzuweichen.