EU-Politiker Brok zur Europapolitik von Union und SPD

Führungsrolle für Europa?

Die Europapolitik hat in den Sondierungen von Union und SPD eine große Rolle gespielt. SPD-Chef Schulz sieht Deutschland in einer Führungsrolle für Europa. Der EU-Abgeordnete Elmar Brok findet: Führen ja, aber in Zusammenarbeit.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Als dienst-ältester Europaabgeordneter sitzen Sie seit 1980 im EU-Parlament. Martin Schulz, nicht nur SPD-Chef, sondern auch früherer EU-Kommissionspräsident fordert mehr Verantwortung Deutschlands und eine Führungsrolle in der EU. Wie stehen Sie dazu mit Ihrer Berufserfahrung?

Elmar Brok (CDU-Abgeordneter im Europaparlament): Natürlich muss Deutschland zur Führung bereit sein. Erstmal müssen aber auch die Parteien in Deutschland zur Führung bereit sein. Ich hoffe, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD erfolgreich sein werden. Deutschland muss aber auch in einer Art und Weise Führung übernehmen, die von den anderen Ländern akzeptiert wird. Die letzten Jahre wurde uns vorgeworfen, dass wir zu viel führen, dass Angela Merkel zu großen Einfluss hat. Seitdem in Frankreich aber Präsident Macron an der Macht ist, gibt es bessere Voraussetzungen, diese Führungsrolle in Europa als Tandem mit Frankeich einzunehmen. Macron reformiert Frankreich in einer Art, die das Land wieder zu einem internationalen Faktor macht. Das ist auch für Deutschland gut, da wir die Last nicht alleine auf unseren Schultern tragen müssen.

DOMRADIO.DE: Macron will Reformen auch auf EU-Ebene, spricht von grundsätzlichen Reformen der Gemeinschaft. Was muss sich da Ihrer Meinung nach ändern?

Brok: Wir müssen unsere Wirtschafts- und Währungs-Union noch sehr viel stabiler machen. Sie hat uns ermöglicht die Finanzkrise, die ja von außen kam, zu überwinden. Die EU hatte 2017 ein größeres Wirtschaftswachstum als die USA. Francois Mitterand und Jean-Claude Juncker haben beide Vorschläge eingebracht, die Union zu stärken. Die Ergebnisse der Sondierungen von Union und SPD gehen da in eine ähnliche Richtung. Es besteht jetzt also die Chance für diese Reformen die Schlusssteine zu setzen.

DOMRADIO.DE: Deutschland kommt aus einer historischen Situation, wo es sicher schwierig ist mit einem Führungsanspruch für Europa. Sie sitzen seit fast vier Jahrzehnten im EU-Parlament. Wie hat sich die Rolle der Bundesrepublik in dieser Zeit entwickelt?

Brok: Als ich angefangen habe, waren wir neun Länder in der Europäischen Gemeinschaft, ursprünglich sechs. Heute sind es, Großbritannien abgezogen, 27 Länder. Das hat die Voraussetzungen verändert. Die Staaten in Mittel- und Osteuropa haben eine andere Geschichte und Tradition. Wenn man die Entwicklung in Polen oder Ungarn betrachtet, haben diese Länder auch noch Nachholbedarf in Rechtsstaatlichkeit. Deutschland wird als Land von Mittel- und Osteuropa mehr akzeptiert, während die Franzosen mit der Erweiterung der Union nie so ganz ihren Frieden geschlossen haben. Deswegen müssen sich beide Länder zusammentun und alle mitnehmen. Die Franzosen konzentrieren sich auf die Eurozone, während wir sagen: Die ganze Union muss es sein. Da gibt es gute Möglichkeiten für Kompromisse und Zusammenarbeit.

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch genug an Europa zu kritisieren. Finanzkrise und Wirtschaftskrise haben wir hinter uns, mit Flüchtlingen und Brexit haben wir noch zu tun. Wie stabil und relevant ist denn die EU im Jahr 2018?

Brok: Eine große Mehrheit der Europäer unterstützt die Union. Gerade der Brexit hat uns die Konsequenzen vor Augen geführt. In Deutschland sind 80 Prozent für die EU, in Polen sogar 90 Prozent. Natürlich hat Europa auch Fehler gemacht, aber stellen Sie sich vor, wir hätten eine solche monatelange Führungskrise in Europa, wie wir sie im Moment in Deutschland haben. Da wäre Europa am Ende. Nicht jedes Problem das wir haben, darf die EU und Europa in Frage stellen. Die Finanzkrise wurde ja nicht durch die Union ausgelöst, wir hatten nur nicht genug Instrumente diese Krise zu bewältigen. Trotzdem haben wir sie bewältigt, sodass Länder wie Irland oder Spanien wieder Wirtschaftswachstum haben und wieder Arbeitsplätze schaffen. In Deutschland hatten wir vergangenes Jahr einen Beschäftigungs-Höchststand. Wir müssen auch mal über die positiven Elemente reden. Mit vielen Schmerzen ist das erreicht worden, aber es ist erreicht worden. Jetzt müssen wir uns darum kümmern, dass uns eine solche Krise von außen nicht noch mal aus der Bahn werfen kann. Dafür ist eine solche geplante Reformpolitik notwendig.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.  


Elmar Brok / © Julien Warnand (dpa)
Elmar Brok / © Julien Warnand ( dpa )
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