Wie viele Flüchtlinge befinden sich auf den griechischen Inseln?
Auf den Inseln Lesbos, Samos, Kos, Leros und Chios leben laut jüngsten Angaben von griechischen Behörden derzeit 27.000 Migranten, darunter Tausende Kinder. Die Aufnahmekapazität wird auf lediglich rund 6.000 Plätze beziffert. In und um Moria lebten zuletzt Schätzungen zufolge rund 12.000 Männer, Frauen und Kinder - bei einer offiziellen Aufnahmekapazität von 2.757 Menschen.
Wie sind die Lebensbedingungen in den Lagern?
Mit einem Wort: unmenschlich. Von einer Schande für Europa sprachen viele, die zuletzt die Lager besuchten. Deshalb fordern Helfer und Kirchenvertreter immer wieder die Auflösung der Camps. Doch passiert sei bislang "erschreckend wenig", fasst beispielsweise der Hamburger Erzbischof Stefan Heße zusammen. Das grundlegende Problem des Hotspots Moria sei nicht angegangen worden, moniert der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz. "Stattdessen gab und gibt es auf Ebene der Bundesregierung und der EU-Kommission sogar das Bestreben, das gescheiterte Hotspot-System auszuweiten und künftig nahezu alle Asylverfahren an den Außengrenzen durchzuführen. Davor kann angesichts der Situation auf den griechischen Inseln nur gewarnt werden."
Was ist in Moria passiert?
In der Nacht zum Mittwoch brannte aus noch ungeklärter Ursache das Lager nahezu komplett ab. Augenzeugen berichteten von mehreren Feuern an unterschiedlichen Stellen. Zuvor habe es Proteste von Geflüchteten gegen ihre inhumane Unterbringung und Versorgung sowie gegen unzureichende Maßnahmen zum Schutz vor Corona gegeben. Seit dem ersten offiziellen Corona-Fall im Flüchtlingslager in der vergangenen Woche sei die Zahl der bestätigten Fälle auf zuletzt 35 angestiegen.
Warum leben überhaupt so viele Flüchtlinge auf den griechischen Inseln?
Das hängt mit dem EU-Türkei-Abkommen aus dem Jahr 2016 zusammen. Damals wurde die Idee der sogenannten Hotspots auf den griechischen Inseln entwickelt. Dort sollten Asylanträge zügig bearbeitet und abgelehnte Asylbewerber zurück in die Türkei gebracht werden. Die EU wollte im Gegenzug syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. In der Realität funktioniert das Abkommen allerdings nicht. Die griechischen Behörden schaffen es nicht, Asylanträge zeitnah zu prüfen. Gleichzeitig kommen immer mehr Migranten und Flüchtlinge auf den griechischen Inseln an.
Diese Menschen können jedoch auch nicht einfach in einen anderen EU-Mitgliedstaat geschickt werden, da die sogenannten Dublin-Regeln besagen, dass Schutzsuchende in dem Staat Asyl beantragen müssen, den sie zuerst betreten. Das sind zumeist die Länder an der südlichen Außengrenze der EU.
Um diesen "Stau" der Asylanträge in den EU-Außenstaaten zu beheben, sollen die Asylregeln in der EU reformiert werden. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für den Herbst angekündigt. Bereits 2016 hatte die EU-Kommission ein Konzept vorgelegt, das war an den EU-Mitgliedstaaten gescheitert - nicht am Europaparlament.
Zugleich fehlt es an einem Mechanismus, die Ankömmlinge auf die anderen EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. De facto hat das zu einem Patt geführt. Kein Land will bei der Aufnahme von Flüchtlingen Vorreiter sein. Die verantwortlichen Politiker verweisen dann gern auf die EU-Kommission in Brüssel. Die wiederum kann nicht selbst tätig werden, sondern ist auf die Initiative der nationalen Regierungen angewiesen.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Lager in Moria müsste komplett neu aufgebaut werden. Angesichts der aktuellen Lage ist daran momentan aber kein Denken. Viele Menschen sind in die nahe gelegene Stadt Mytilini geflohen; Helfer sprechen von chaotischen Zuständen. Auf politischer Ebene stehen nun zwei Fragen einmal mehr auf der Agenda: Wer hilft Griechenland bei der weiteren Versorgung der Flüchtlinge? Und: Gelingt es den Gordischen Knoten zu zerschlagen und einen europaweit einheitlichen Kurs im Umgang mit Flüchtlingen einzuschlagen? Eine Schlüsselrolle kommt in den nächsten Wochen der Bundesregierung zu. Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und mehrfach bekräftigt, hier zu einem Durchbruch zu kommen.