Die Entscheidung, 15 russische Athletinnen und Athleten in Paris unter neutraler Flagge antreten zu lassen, sei hoch problematisch, sagte der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thorsten Latzel, der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (August).
Die formale Verpflichtung der russischen Athleten, weder den Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen noch mit dem russischen Militär Kontakt zu haben, ändere nichts, sagte Latzel.
"Es bleibt unklar, wie sich das überprüfen lässt, und erst recht, ob solch ein Sport im autoritären Russland überhaupt möglich ist." Auch ohne russische Hymne oder Fahne seien die Sportlerinnen und Sportler "Teil der russischen Staatspropaganda".
Große Sport-Events verdrängen Bewohner
Kritik übte der Theologe auch an der Olympia-Organisation insgesamt. Für viele Menschen in Paris hätten die Spiele negative Folgen, etwa weil Mieten stiegen und Lebenshaltungskosten teurer würden. "Im Blick auf die Stadtgesellschaft sind sportliche Großevents meist gentrification games."
So seien Wohnungslose und Studenten "systematisch aus der Stadt ausgelagert" worden, um Wohnraum für Olympia zu schaffen. Gentrifizierung beschreibt den Wandel eines Stadtquartiers, aus dem die bisherigen Bewohner wegziehen müssen, weil sie sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten können.
Eine sozialere Gestalt künftiger Olympischer Spiele ist nach Latzels Überzeugung nur dann möglich, wenn das Internationale Olympische Komitee Kompetenzen abgeben würde. Nur dadurch wären transparente, die Menschenrechte wahrende und bescheidenere Spiele möglich, sagte Latzel. Gleiches gelte für den Weltfußballverband Fifa, der die Weltmeisterschaften organisiert.