Der christlich-muslimische Dialog befindet sich nach Ansicht von Vertretern der evangelischen Kirche und des Koordinationsrats der Muslime (KRM) derzeit in einer Bewährungsprobe. Es gelte, gegenseitiges Vertrauen zurückzugewinnen, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am Donnerstag in Köln.
Politische Entwicklungen auch in anderen Ländern belasteten die Dialogsituation in Deutschland. Eine politische Vereinnahmung von Religionen sei nicht förderlich für das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft.
Mehrheit ist für Dialog
Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD hatte im September die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage veröffentlicht, laut der sich knapp zwei Drittel der Bevölkerung für den Dialog der evangelischen Kirche mit dem Islam aussprachen. Bei den Befragten fiel laut der Studie aber auch die Akzeptanz von Musliminnen und Muslimen höher aus als die Akzeptanz des Islam. Hier sahen die Gesprächspartner eine bleibende Aufgabe, durch interreligiöses Lernen und Begegnungen über den Islam aufzuklären.
Bei dem Gespräch wurde laut Mitteilung auch das Verhältnis der Religionsgemeinschaften zum deutschen Staat thematisiert. Dabei sei die große Bedeutung der Religionsfreiheit für die Entfaltung religiösen Lebens im öffentlichen Raum einhellig unterstrichen worden. Pürlü bedauerte, dass der Dialog zwischen den muslimischen Gemeinschaften und staatlichen Behörden derzeit stocke. In den vergangenen Jahren seien hier wichtige Grundlagen für das Zusammenleben der Menschen in ihrer Vielfalt gelegt worden.
Gemeinsam gegen Gewalt
Die Protestanten und Muslime verurteilten zudem Anschläge auf Gebetsräume und religiöse Einrichtungen. Auch die Bedrohung von Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit sei ein besorgniserregendes Zeichen, hieß es laut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach einem Treffen von Vertretern der EKD und des Koordinationsrates der Muslime am Donnerstag in Köln.
Unterschiedliche religiöse Überzeugungen, Lebensauffassungen und Lebensstile seien Wesensmerkmale einer pluralen Gesellschaft. Diese müssten in einer Demokratie gefördert werden. Zudem müsse stärker für ein Verständnis von sichtbarer Religiosität und Vielfalt geworben werden, hieß es in der Mitteilung.
Türkei ist Thema im Dialog
Auch die politische Situation in der Türkei und die Auswirkungen auf die Religionen sei ein Thema bei dem Spitzentreffen gewesen, teilte die EKD mit. Zuletzt hatte die Eröffnung der Kölner Ditib-Moschee Ende September für Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei gesorgt. Die rund 30 Millionen Euro teure Kölner Moschee mit einem Kuppelsaal für 1.100 Gläubige war vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eröffnet worden. Namhafte deutsche Politiker hatten ihre Teilnahme abgesagt. Ditib – kurz für "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" – ist der größte Islamverband in Deutschland. Der Verband steht wegen seiner Anbindung zur türkischen Regierung in der Kritik.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erklärte, dass auch politische Entwicklungen in anderen Ländern «die Dialogsituation in Deutschland» belasteten. Eine politische Vereinnahmung von Religionen werde als nicht förderlich für das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft angesehen. Der Dialog befinde sich derzeit in einer Bewährungsprobe, in der es gelte, gegenseitiges Vertrauen zurückzugewinnen.
Freiheit bedeutet Verpflichtung
Bei dem jährlichen Spitzentreffen zwischen evangelischer Kirche und dem Koordinationsrat der Muslime sagte der Sprecher des Koordinationsrats, Erol Pürlü: "Populistische Bewegungen und Parteien, aber auch extremistische Strömungen, die sich gegen die vorhandene religiöse Vielfalt richten, verschärfen das gesellschaftliche Klima insgesamt und tragen zur Polarisierung bei."
Mit Blick auf die deutsche Geschichte fügte Bedford-Strohm hinzu: "Noch nie in der deutschen Geschichte konnten Religionen sich so frei entwickeln wie unter diesen Rahmenbedingungen. Diese Freiheit bedeutet aber auch eine Verpflichtung, sich aktiv für die Möglichkeit jedes einzelnen Menschen überall auf der Welt einzusetzen, seine Religion frei zu wählen."