Evangelischer Pfarrer bietet Ukrainern Ostergottesdienst an

"Wir haben einen gemeinsamen Glauben"

Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer wird es das zweite Osterfest im Krieg. Pastor Hartmut Nack bietet nicht nur Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, einen Ostergottesdienst an diesem Sonntag an.

Eine orthodoxe Christin / © Klavdiia Arziukova (shutterstock)
Eine orthodoxe Christin / © Klavdiia Arziukova ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Letztes Jahr haben Sie kurzfristig in Scheeßel ein Osterfest auf die Beine gestellt und mit den Ukrainerinnen und Ukrainern gemeinsam gefeiert. Diesmal haben Sie sich etwas länger darauf einstellen können und wollen diese Andacht wiederholen. Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen dem orthodoxen Osterfest und unserem?

Hartmut Nack (Pastor St.-Lucas-Kirche Scheeßel): Ich muss dazu sagen, der große Experte für das Orthodoxe, für den orthodoxen Glauben, für orthodoxe Ostern bin ich auch nicht. Ich habe mich da so ein bisschen reingefuchst, zusammen mit unserem Kantor hier. Und wir haben auch im Nebel gestochert, ein bisschen gehofft, was könnte da funktionieren?

Wir haben ein paar liturgische Elemente gefunden, wo wir dann gehofft haben, dass auch Ukrainerinnen und Ukrainer darauf im Gottesdienst reagieren können. An ein paar Stellen hat es auch nicht so gut geklappt, aber an anderen Stellen hat es geklappt. Ich habe etwas angeboten und die Gemeinde antwortete. Das war ein ganz schönes Gefühl.

Hartmut Nack, Pastor in der St.-Lucas-Kirche Scheeßel

"In unserem Evangelischen Gesangbuch steht bei manchen Gesängen, 'aus der Orthodoxie' oder sogar 'aus Kiew'."

Der Unterschied ist vor allem, dass es etwas hochliturgischer ist: sehr lange, mehr Chorgesang, wo die Gemeinde vielleicht gar nicht so sehr daran beteiligt ist. Und wir mit unserer Orgel – da müssten die sich die Ukrainerinnen und Ukrainer auch erst darauf einstellen. Ähnlich wie bei uns Heiligabend, wo die Familie zum Gottesdienst geht, so ähnlich ist es da mit Ostern.

DOMRADIO.DE: Wie setzen Sie es praktisch um, sich während des Gottesdienstes zu verstehen und zu verständigen?

Nack: Wir haben hier ein engagiertes Gemeindemitglied, das Russisch spricht. Die Texte, die Gebete, die ich in dem Gottesdienst sagen werde, habe ich ihr vorher gegeben und sie übersetzt die ins Russische. Im Gottesdienst stehen wir zu zweit weit vorne und wechseln uns auf Deutsch und Russisch ab.

DOMRADIO.DE: Sie haben im vergangenen Jahr auch eine Art gemeinsame kirchliche Sprache erfahren in diesem gemeinsamen Feiern. Woher kommt diese Verbundenheit?

Nack: Das kommt durch die Gemeinde, durch die gleiche Liturgie. Wir haben ein paar Dinge ausprobiert, die auch nicht funktioniert haben. Aber auch in unserem Evangelischen Gesangbuch steht bei manchen Gesängen auch aus der Liturgie dann unten drunter, "aus der Orthodoxie" oder sogar "aus Kiew" bei einem Kyrie-Gesang. Und als wir dann diesen Kyrie-Gesang bei den Fürbitten eingebaut haben, da war es ein besonderes Gefühl, dass auf einmal so viel mitgesungen wurde. Ich glaube, die Menschen aus der Ukraine haben sich auch sehr gefreut.

DOMRADIO.DE: Zwischen Ankommen und Zurechtfinden und der Sehnsucht nach der eigenen Heimat leben die Geflüchteten bei Ihnen in Scheeßel und in der Kirchengemeinde. Wie ist Ihre Situation nach mehr als einem Jahr Krieg durch Russland?

Nack: Ich erlebe die Menschen hier auch in meinem Alltag, in der Schule, beim Einkaufen. Ich sehe viele von ihnen auch bei den Festen, die es hier vor Ort gibt.

Hartmut Nack, Pastor in der St.-Lucas-Kirche Scheeßel

"Was ist denn die ukrainische Tradition? Die gibt es so nicht."

Jetzt ist schon ein Jahr vergangen nach diesem letzten Osterfest. Ich bin mal gespannt, wie die Stimmung ist. Aber so wie ich es vorher erlebe, nehmen die hier am Leben einfach mit teil.

DOMRADIO.DE: Sie feiern in der Kirche dann zusammen. Nicht nur Ukrainer und Ukrainerinnen kommen, sondern auch Gebürtige aus Scheeßel. Warum die gemeinsame Feier?

Nack: Vom letzten Jahr ausgehend ist es erst einmal eine freundliche Willkommensgeste. Das Osterfest ist eine Woche später, das wird einen hohen Stellenwert bei vielen Menschen dort haben. Wir haben einen gemeinsamen christlichen Glauben. Können wir uns nicht ein Stück weit auf diese Ebene begeben?

DOMRADIO.DE: Als prominente orthodoxe Stimme haben wir den Patriarchen von Moskau, Kyrill I., den Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche, während des Krieges erlebt. Seine Äußerungen sind sehr nahe bei Putin und befürworten den militärischen Angriff auf die Ukraine. Erleben Sie solche Spannungen oder auch Diskussionen um solche Aussagen auch bei sich in der Gemeinde, unter den Geflüchteten?

Patriarch Kyrill I. / © Mikhail Metzel (dpa)
Patriarch Kyrill I. / © Mikhail Metzel ( dpa )

Nack: Ja, ich glaube, diese Spannungen gibt es. Die Diskussionen sind da. Es ist sehr plural. Das ist für den Gottesdienst auch noch einmal die Herausforderung. Was ist denn jetzt die ukrainische Tradition? Die gibt es so nicht.

Genauso stelle ich es mir vor, dass es auch eine kirchliche Nähe zu Kyrill, zu Russland geben kann. Manchmal ja, manchmal wird es auch ganz weit weg sein.

DOMRADIO.DE: Werden Sie auch in der Osternacht den Krieg thematisieren und den Wunsch nach Frieden aufgreifen?

Nack: Ja, ich würde sogar sagen, das nimmt einen sehr großen Teil ein. Die Osterbotschaft soll gehört werden. Die Hoffnung, die davon ausgeht, muss einmal zur Sprache kommen. Aber auch in den Fürbitten und in dem kurzen Grußwort vom Bischof, was ich vortragen werde. Da gibt es auch sehr viel um die Nöte, Sorgen und Ängste, die durch den Krieg entstanden sind.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR