DOMRADIO.DE: Das Leben auf der Insel während der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus ist auch ein anderes als sonst. Wie sieht es aktuell auf Norderney aus?
Markus Fuhrmann (Diakon auf Norderney): Ich denke, wie überall in Deutschland, sind alle sehr besorgt und angespannt, aber gleichzeitig ruhig, so nehme ich das zumindestens wahr. Ich kann nicht immer für die ganze Insel sprechen. Aber das, was ich wahrnehme, ist, dass die Leute ruhig und besonnen sind. Es gibt auch eine Welle der Hilfsbereitschaft, die uns erreicht.
DOMRADIO.DE: Sie haben diese Woche bei Facebook gepostet, dass die Insel mit Lebensmitteln beliefert wird und die Infrastruktur gesichert ist. Allerdings gibt es Lieferdienste, die auf der Insel helfen sollen, damit möglichst viele Menschen aus der Risikogruppe zu Hause bleiben können. Unter anderem stand da: "Herr Schnider kommt mit einem Kescher zum Geld einlegen auf Distanz." Da musste ich ein bisschen schmunzeln. Aber Sie meistern die Situation ganz gut und helfen sich gegenseitig, die Distanz möglichst einzuhalten?
Fuhrmann: Ja, es entsteht vieles Neues. Herr Schnider vertreibt Spielwaren und wenn Kindern langweilig ist, dann liefert auch nach Hause. Mittlerweile bieten viele Bäckereien und Restaurants auch Lieferdienste an. Und das ist, glaube ich, auch die richtige Taktik, damit die Leute im Haus bleiben, damit nicht jeder drauf losgeht und einkauft für einen kranken Nachbarn, sondern erst mal guckt: Gibt es jemanden, der das gefahrlos machen kann?
DOMRADIO.DE: Welche Sorgen haben die Menschen?
Fuhrmann: Es ist die Sorge vor der Arbeitslosigkeit und dem finanziellen Ruin. Es sind Situationen, wie auf der Straße, wenn man sich beim Einkaufen über 100 Meter weit weg sieht und sich zuruft, wie es so geht. Da merke ich doch schon, dass Leute ganz deutlich äußern: "Mensch, ich habe mit einer Viertelmillion Euro mein Restaurant für diese Saison neu eingerichtet, und jetzt kommt kein einziger Gast. Ich stehe vor dem Nichts. Das sind einfach Existenzängste."
DOMRADIO.DE: Wie leisten Sie da Seelsorge: Per Telefon?
Fuhrmann: Per Telefon zuhören, das ist das Mittel der Stunde. Wir rufen Gemeindemitglieder an und fragen, wie es den Älteren geht. Die Gemeinde ist hier sehr selbstständig und selbstbewusst, das ist sie immer schon gewesen. Das liegt auch an der Insellage. Hier wird gut füreinander gesorgt, nicht nur innerhalb der Kirchengemeinden, sondern auch die Insulaner untereinander. Es ist so, wie der Papst gesagt hat: "Wir sitzen alle in einem Boot." Wir sitzen alle auf einer Insel. Hier kommt weder jemand rauf und noch runter, und das stehen wir jetzt gemeinsam durch.
DOMRADIO.DE: Es finden keine Gottesdienste und Gebete statt. Was bedeutet das für die Menschen?
Fuhrmann: Es finden schon Gottesdienste und Gebete statt, nur nicht in den Kirchen. Wir läuten sonntags um zehn zusammen mit unserer evangelischen Schwestergemeinde zum Gottesdienst zehn Minuten, und wir haben unseren Gemeindemitgliedern ja Hilfen an die Hand gegeben, wie sie in den Familien und zuhause Gottesdienst feiern können. Ich würde sagen, es werden vielleicht mehr Gottesdienste als vorher gefeiert, nur nicht zusammen, sondern in den einzelnen Familien und Häusern - da, wo es geht, und das werden wir weiter aufbauen.
Denn wir werden ja auch Ostern nicht im Kirchengebäude feiern, sondern wie es die ersten Christen getan haben, Ostern zu Hause in den Häusern feiern. Das werden wir unterstützen mit der Sonntagstüte, wo die Sonntagstexte und aufbauende Gedanken drin sind, die wir den Leuten hier zukommen lassen.
DOMRADIO.DE: Was ist genau diese Sonntagstüte, die Sie verteilen?
Fuhrmann: Die Sonntagstüte ist ein kurzer Gruß von dem Mini-Pastoralteam hier, meiner Frau und mir an die Gemeindemitglieder. Es sind die Sonntagstexte der biblischen Lesungen drin. Es ist ein kleiner Gottesdienstablauf, den man zu Hause feiern kann. Es ist ein Rätsel darin. Es ist ein Schwarzbrottext, also ein spiritueller Text, der Gehalt hat und der aufbauen und ermutigen soll. Es ist der Aufruf, sich gegenseitig anzurufen und sich darüber auszutauschen. Besonders diejenigen, die alleine zu Hause in der Wohnung sind, sollen jemanden anrufen und zu zweit am Telefon beten.
DOMRADIO.DE: Das gibt es jetzt jede Woche?
Fuhrmann: Wir werden das auch digital verteilen, weil wir uns die Rechte an den Texten gesichert haben, sodass wir die Texte auch abdrucken und verbreiten dürfen. Wer mag, kann sie auch per E-Mail anfordern. Wir sind gut ausgestattet mit Technik hier.
Das Gespräch führte Katharina Geiger.